WERNER VOSS RRM-030, 06. APRIL 1976

 
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Gepostet: 22.07.2024 - 16:13 Uhr  ·  #1
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Thema: New Orleans Rhythm and Blues - 1. Folge

01 Professor Longhair She Walks Right In 2.44 Atlantic 897 1949
02 Fats Domino Little Bee 2.22 Imperial 5065 1949
03 Archibald Shake, Shake Baby 2.21 Imperial 5082 1950
04 Lloyd Price Lawdy Miss Clawdy 2.27 Specialty 428 1952
05 Smiley Lewis Play Girl 2.05 Imperial 5234 1953
06 Fats Domino Little School Girl (ausgebl) 2.30 Imperial 5272 1953
07 Smiley Lewis Blue Monday 2.37 Imperial 5268 1954
08 Sugar Boy & His Cane Cutters Jock-A-Mo 2.21 Checker 787 1954
09 Little Richard Slippin’ And Slidin’ 2.23 Specialty 572 1956
10 Eddie Bo I’m Wise 2.07 Apollo 486 1956
11 Roy Brown Let The Four Winds Blow 2.57 Imperial 5439 1957
12 Jerry Byrne Lights Out 1.44 Specialty 635 1958
13 Huey „Piano“ Smith & The Clowns High Blood Pressure 2.40 Ace 554 1958
14 Huey „Piano“ Smith & The Clowns Sea Cruise (ausgebl) Ace 545 1958



WORTPROTOKOLL

Guten Tag, liebe Hörer,

am letzten Donnerstag war Fats Domino hier in Hamburg, und Fats Domino ist ja der bekannteste Interpret jener Rock ‚n’ Roll-Spielart,, die heute als New Orleans Dance Blues bezeichnet wird. Ich möchte daher heute einmal näher auf die Entwicklung des New Orleans Rhythm and Blues eingehen, um zu verdeutlichen, auf welchem musikalischen Hintergrund Fats Domino zu sehen ist. Heute zunächst die Zeit bis 1959 – in 2 Wochen dann die Fortsetzung. – New Orleans verbindet jeder sofort mit dem Jazz. Doch das ist nur die eine musikalische Seite dieser Stadt. Weitgehend übersehen oder sogar ignoriert wurde und wird, dass New Orleans als Rhythm and Blues-Stadt genauso bedeutend ist. Und während New Orleans-Jazz heute nur noch als eine Art Museumsstück Touristen vorgeführt wird, ist der New Orleans-Rhythm and Blues immer noch eine sehr, sehr lebendige Musik.

Die Geschichte des New Orleans-Rhythm and Blues auf Platten beginnt 1947, als Imperial und Deluxe Records durch die Vermittlung des Trompeters Dave Bartholomew Aufnahmen in der Delta-Stadt machten. 1949 haben dann die Aufnahmen den typischen Sound, wie das eben gespielte „She Walks Right In“ von Professor Longhair aus diesem Jahre. In dem einfachen und fröhlichen New Orleans-Sound vermischen sich verschiedenste musikalische Einflüsse: lateinamerikanische und karibische Rhythmen, die Musik der schwarzen und kreolischen Straßenkapellen der Jahrhundertwende, verschiedene Blues- Stile, Big Band-Jazz der 40er Jahre und nicht zuletzt die Cajun-Musik aus der westlich angrenzenden Sumpflandschaft Louisianas. Ende der 40er Jahre hatte sich aus diesen Elementen ein satter voller Sound entwickelt, der sich schon damals wie der Rock ‚n’ Roll der Mitt50er Jahre anhörte. Die beherrschenden Instrumente sind Klavier und Saxophon, unterstützt von einer Rhythmusgruppe mit einem hämmernden Schlagzeug. Ein gutes Beispiel ist „Little Bee“ aus Fats Domino’s erster Aufnahmesession vom Dezember 1949.

Für die Aufnahmen mit Fats Domino und vielen anderen Solisten hatte Dave Bartholomew einige der besten Musiker der Stadt zu einer Studioband zusammengefasst – die bekanntesten sind die Saxophonisten Alvin Red Tyler und Lee Allen und der Schlagzeuger Earl Palmer. Nicht zuletzt mit ihrer Unterstützung wurde Domino in den 50er Jahren zum erfolgreichsten New Orleans-Rhythm and Blues-Musiker. In seinem Schatten stehen aber zahlreiche gleich gute und manchmal bessere Interpreten, die jedoch nur lokale Größen blieben, eben weil außerhalb der Stadt New Orleans immer nur mit der Jazz-Musik verbunden wurde. Dass das Klavier das wesentliche Instrument des New Orleans-Rhythm and Blues ist, hat seine Ursache sicherlich auch in einer Eigenart der Hafenstadt, denn in den zahllosen Kneipen und Etablissements des Vergnügungsviertels spielten überall Pianisten. Einer von ihnen war der 1973 im Alter von 60 Jahren verstorbene Leon Gross, der sich auf Platten Archibald nannte. Hier ist er mit „Shake, Shake Baby“ von 1950.

Die Aufnahmen des New Orleans-Rhythm and Blues finden sich ausschließlich auf Platten von so genannten unabhängigen Plattenfirmen, denn keiner der großen Plattenkonzerne interessierte sich nach dem 2. Weltkrieg im Rhythm and Blues-Bereich für lokale Entwicklungen und Märkte. So bewirkten allein die neuen kleinen Firmen das, was dann Mitte der 50er Jahre als Rock ‚n’ Roll zur musikalischen Explosion geriet. – 1952 engagierte sich ein weiteres unabhängiges Label in New Orleans: Specialty Records aus Los Angeles. Der damals 17jährige Lloyd Price wurde unter Vertrag genommen und in der ersten Session am 13. März 1952 begleitete ihn Fats Domino. Eine der Aufnahmen wurde ein Klassiker: „Lawdy Miss Clawdy“ war im Sommer 1952 Nummer 1 der Rhythm and Blues-Hitliste. Lloyd Price.

Der schon erwähnte Dave Bartholomew – Jahrgang 1920 – war Ende der 40er und in den 50er Jahren eine der beherrschenden Figuren der musikalischen Aktivitäten in New Orleans. Er arbeitete als Bandleader, als Talentsucher, als Komponist und Arrangeur. Und aus seiner Feder stammen die meisten Domino-Hits und viele Titel anderer Interpreten. Bartholomew sorgte auch dafür, dass Fats Domino in den frühen 50er Jahren auch bei Aufnahmen von anderen Sängern mitwirkte, die ebenfalls bei Imperial unter Vertrag standen. So bei Amos Overton Lemmon, der sich das Pseudonym Smiley Lewis zulegte. Domino nahm später einige Titel auf, die Smiley Lewis im Original gemacht hatte, beispielsweise „Blue Monday“, „One Night“ oder „I Hear You Knocking“. 1953 sang Smiley Lewis – der um 1963 gestorben ist [er starb am 7.10.1966 an einem Krebsleiden] – eine New Orleans-Version von „Hound Dog“, die bei ihm „Play Girl“ heißt. Diese Aufnahme wurde damals – man höre und staune – sogar in Europa veröffentlicht.

Der Einfluss des eigenwilligen rhythmischen Klavierspiels von Professor Longhair auf alle anderen New Orleans-Pianisten war und ist bis heute sehr stark. In manchen Aufnahmen ist Longhair’s Klavierspiel exakt kopiert worden, so in der Fats Domino-Aufnahme, die Sie gleich hören werden. Fats Domino gibt das aber nicht zu – warum, ist mir unbegreiflich. Als ich Professor Longhair im Oktober letzten Jahres deshalb nach seiner Meinung über den `Fat Man` befragte, äußerte sich der verbitterte Mann nicht gerade freundlich. – Hier nun Fats Domino mit „Little Schoolgirl“ – aufgenommen am 27. Oktober 1953.

Das war noch einmal Smiley Lewis – hier mit der Originalfassung von „Blue Monday“, aufgenommen im Dezember 1953 mit Fats Domino am Klavier, der seine Version des Titels erst im Frühjahr 1955 aufnahm. – 1954 nahm James „Sugar Boy“ Crawford den Titel „Jock-A-Mo“ auf. Hier kommt nicht nur der starke Einfluss karibischer Musikelemente zum Ausdruck, sondern zahlreiche nicht übersetzbarer Worte zeigen auch Spuren von afrikanischem Aberglauben, Zauber und Magie, die sich ja bis heute auf den westsindischen Inseln erhalten haben. Crawford’s Song war unter dem Titel „Iko Iko“ 1965 mit den Dixie Cups – eben- falls aus New Orleans – wesentlich erfolgreicher als seine 1954er- Aufnahme, die Sie jetzt hören.
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Gepostet: 22.07.2024 - 16:15 Uhr  ·  #2
Als 1954/55 schwarze Rhythm and Blues-Aufnahmen bei weißen Jugendlichen immer beliebter wurden, begannen weiße Pop-Interpreten durch Coverversionen diesen Erfolg zu stehlen. Auch New Orleans-Aufnahmen blieben von dieser skrupellosen Praxis nicht verschont. 1955 sang Pat Boone Fats Domino’s „Ain’t It A Shame“ und Little Richard’s „Tutti Frutti“ – und Gale Storm „I Hear You Knocking“ von Smiley Lewis. Dadurch wurde aber auch das breite Publikum auf den New Orleans-Sound aufmerksam und wenig später hatten sich die schwarzen Interpreten durchgesetzt, an ihrer Spitze Fats Domino und Little Richard. – Viele der Little Richard-Aufnahmen 1955 bis 1957 entstanden in New Orleans mit fast der gleichen Session-Band, die auch Fats Domino begleitete. Auf Little Richard’s 2. Specialty-Platte vom März 1956 ist die Aufnahme „Slippin’ And Slidin’“ zu hören.

Little Richard behauptete vor einigen Jahren in einem Interview, er sei der Komponist von „Slippin’ And Slidin’“. Eine seiner schon gewohnten Aufschneidereien, denn tatsächlich hatte er den Song bei einem anderen New Orleans-Pianisten abgehört. Das Original von Eddie Bo heißt „I’m Wise“ und entstand kurz vor der Little Richard- Aufnahme, in der der Text teilweise abgeändert ist. Die Aufnahme von Eddie Bo wiederum basiert auf einem Bluestitel 1955 von Al Collins – ebenfalls aus New Orleans. Jetzt aber Eddie Bo und „I’m Wise“.

Der Durchbruch der verschiedenen Rhythm and Blues-Stile unter der Bezeichnung Rock ‚n’ Roll und die gleichzeitige Übernahme und Weiterentwicklung dieser Musik durch echte weiße Musiker bewirkte beim New Orleans-Sound, dass für eine Zeit lang der Rhythmus noch stärker betont wurde, die Klaviere noch mehr hämmerten und die Saxophone noch schriller spielten. Und auch alt gediente Rhythm and Blues-Leute versuchten sich noch einmal im Rock ‚n’ Roll-Geschäft. So Roy Brown, der von 1948 bis `51 zahlreiche Rhytm and Blues-Hits aufweisen konnte. Dave Bartholomew produzierte mit ihm im Frühjahr 1957 „Let The Four Winds Blow“ – eine Komposition von ihm und Fats Domino, der seine eigene Version erst 1961 einspielte. Hier nun Roy Brown 1957.

Mit dem Erfolg des New Orleans-Rhythm and Blues als eine der Rock ‚n’ Roll-Spielarten tauchten ab 1956 auch weiße Sänger auf. Sie sind keinesfalls Nachahmer, denn sie wuchsen mit der Entwicklung dieser Musik auf und spielten mit Schwarzen zusammen. Zu nennen wären hier Bobby Charles, Mac Rebenack, Frankie Ford oder Jerry Byrne. Bobby Charles – mit richtigem Namen Robert Charles Guidry – machte als 18jähriger 1956 die Originalversion von „See You Later, Alligator“ und schrieb zahlreiche New Orleans-Hits, so unter anderem „Before I Grow Too Old“ und „Walking To New Orleans“ für Fats Domino. Mac Rebenack – Jahrgang 1940 und seit 1967 als Dr. John bekannt – wirkte von 1957 bis Anfang der 60er Jahre als Pianist und Gitarrist bei zahlreichen New Orleans-Aufnahmen mit. Für Jerry Byrne schrieb er den wilden Song „Lights Out“, der am 8. Februar 1958 aufgenommen wurde. Die Begleitband bestand u.a. auch aus dem Pianisten Art Neville, von dem dann in den 60er Jahren noch zu berichten sein wird.

Ja, welcher Musiker wird wohl heute noch so eine scharfe Aufnahme zustande bringen?

Es ist recht erstaunlich, dass der New Orleans-Sound erst 1955 eine lokale Plattenfirma hervorbrachte, allerdings nicht direkt in New Orleans, sondern in der relativ nahen Stadt Jackson/Mississippi. Gründer dieser Firma war der Italo-Amerikaner Johnny Vincent, der zuvor für Specialty tätig war. Auf seinem Ace Label erschienen einige der besten New Orleans- Aufnahmen der 2. Hälfte der 50er Jahre, so auch die von Huey „Piano“ Smith & The Clowns. Diese Formation mit häufig wechselnden Sängern – Smith selber spielte nur Piano - meistens - hatte 1957 mit „Rockin’ Pneumonia And The Boopgie Woogie Flue“ ihren ersten Hit. Smith arbeitete bereits als Session-Musiker seit 1949; unter anderem ist er auf der bei Little Richard-Aufnahme „Slippin’ And Slidin’“ zu hören. Im Frühjahr 1958 erzielten Smith und seine Clowns dann ihren größten Erfolg mit „Don’t You Just Know It“ – auch bekannt als „Don’t Ha Ha Ha“ in Coverversionen von den Fendermen, Screaming Lord Sutch und Casey Jones. Auf der Rückseite dieser Platte findet sich die Aufnahme „High Blood Pressure“.

Ende 1958 hatte Huey „Piano“ Smith
die Songs „Sea Cruise“ und „Roberta“ aufgenommen, die Johnny Vincent aber damals nicht veröf-
fentlichte. Stattdessen trennte er den Gesang von der Instrumentalbegleitung und fügte eine Geräuschkulisse und den Gesang des weißen Frankie Ford neu hinzu. In dieser Fassung wurde „Sea
Cruise“ im Frühjahr 1959 ein Riesenhit. Sie hören jetzt aber gleich die Originalfassung mit Huey Smith und Gerri Hall als Sängert, Lee Allen und Red Taylor - Saxophon – und Mac Rebenack, alias Dr. John – Gitarre. Soweit dann die Entwicklung des New Orleans-Sounds für heute. In 2 Wochen, am 20. April, dann die Fortsetzung. Und danach geht’s dann wieder im gewohnten 3-Wochen-Rhythmus weiter.

So, das war’s denn, tschüß.
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