WERNER VOSS RRM-029, 09. März 1976
Thema: Chuck Berry
01 Chuck Berry Maybellene 2.16 Chess 1604 1955
02 Chuck Berry You Can’t Catch Me 2.41 Chess 1645 1955
03 Chuck Berry Roll Over Beethoven 2.22 Chess 1626 1956
04 Chuck Berry School Day 2.40 Chess 1653 1957
05 Chuck Berry Sweet Little Sixteen 2.57 Chess 1683 1958
06 Chuck Berry Johnny B. Goode (ausgeblendet) 2.16 Chess 1691 1958
07 Chuck Berry Run, Rudolph, Run 2.37 Chess 1714 1958
08 Chuck Berry Little Queenie 2.36 Chess 1722 1959
09 Chuck Berry Let It Rock 1.41 Chess 1747 1959
10 Chuck Berry Memphis, Tennessee 2.10 Chess 1729 1959
11 Chuck Berry No Particular Place To Go 2.40 Chess 1898 1964
12 Chuck Berry The Promised Land 2.20 Chess 1916 1964
13 Chuck Berry Carol (live TV 22.7.72) 3.49 Chess 1700 1958
14 Professor Longhair Baby Let Me Hold Your Hand 2.03 Ebb 121 1961
Wortprokoll:
Guten Tag, liebe Zuhörer,
heute ist wieder ’mal Rock ’n’ zu hören. Als ich vor etwa 14 Tagen einen Bekannten traf, sagte der zu mir: „Mach’ doch ’mal ’ne schöne Sendung über Chuck Berry!“ Ob die Sendung nun schön wird, weiß ich nicht – jedenfalls heute also Chuck Berry. Dabei will ich Chuck Berry’s Biographie nur am Rande eingehen, sondern vielmehr auf seine Song-Texte, denn sie sind oft zeitgeschichtliche Dokumente. Allerdings eine Deutung der 10 bis 20 Jahre alten Berry-Texte aus heutiger Sicht halte ich für unzulässig, denn eine Formulierung wie „in seinen Songs verschmolz er die Wünsche und Frustrationen der jungen Hörer zur Vision einer Teenager- Subkultur“ – so zu lesen im Rock-Lexikon – versteht erstens kaum einer und ist zweitens auch völlig falsch, weil die Texte seinerzeit von niemandem so begriffen wurden.
Das war Chuck Berry’s erste Platte „Maybellene“ vom Mai 1955. Berry war damals bereits 28 Jahre alt, denn er ist nicht 1931 – wie selbst auf Plattenhüllen zu lesen ist -, sondern 1926 geboren „Maybellene“ ist eines der vielen Berry-Stücke über Autos. Das Auto ist ja wesentliches Element des amerikanischen Lebensstils. Und neben der Musik selbst war das Auto in Amerika während der Rock ‚n’ Roll-Aera ein Symbol jugendlicher Unabhängigkeit. Berry beschreibt das Auto und das Fahren in allen Einzelheiten und dabei benutzt er das Auto auch als Gleichnis für Sex und Männlichkeit. Er lobt sich selbst – er ist der raffinierteste und schnellste. „You Can’t Catch Me“ – Du kannst mich nicht einholen – ist dafür typisch. Die Doppeldeutigkeit Auto = Sex ermöglichte es Berry über zwei Dinge gleichzeitig zu erzählen. Ob das damals alle erkannten, wage ich zu bezweifeln. „You Can’t Catch Me“ – aufgenommen im Dezember 1955.
Neben dem Auto sind auch Rock ‚n’ Roll-Musik und das Teenager- Leben beherrschendes Thema in Chuck Berry’s Stücken. In zahlreichen dieser Songs zeigt sich eine weitere Eigenart der Berry-Texte. Chuck Berry erzählt nicht in der Ich-Form, sondern er ist unbeteiligter Beobachter. Als erstes Beispiel dafür „Roll Over Beethoven“ vom Februar 1956. Berry erzählt zunächst, wie sehr ihn Rhythm and Blues-Musik aufregt – wie dann aber dazu getanzt wird, schildert er als Zuschauer. Die Titelzeile „Roll Over Beethoven and dig this Rhythm and Blues“ wurde damals von den Jugendlichen keinesfalls als Aufforderung zur Rebellion verstanden, sondern als das, was es ist: ein gelungenes, witziges Wortspiel. Beweis dafür ist schon, dass die Aufnahme nur Platz 29 der Hitliste erreichte.
„School Day“ – aufgenommen im Januar 1957 – ist neben „Sweet Little Sixteen“ Chuck Berry’s wohl beste Darstellung des Teenager-Lebens der Mitt-50er Jahre, und zwar das der weißen Teenager. Denn Berry’s Songs zielten – obwohl die Musik schwarzer Rhythm and Blues – in erster Linie auf das weiße jugendliche Publikum. In „School Day“ beschreibt Berry, wie die Schule die Jugendlichen langweilt, aber er kritisiert sie nicht. Denn um 3 nach der Schule, da geht es gleich um die Ecke in eine Juke Joint – ein Lokal mit einer Musikbox – Geld ’rein, und dann wird Rock ‚n’ Roll getanzt. Das ist nichts weiter als einfach ein harmloses Vergnügen. Und am Schluss des Songs als Höhepunkt der jugendlichen Lebensfreude der Ausruf: Lang’ lebe der Rock ‚n’ Roll, bewahr’ mich bloß vor den alten Zeiten!
Sie rockten in Boston, in Pittsburg, in Texas, in San Francisco, in St. Louis und unten in New Orleans. Und alle Jungs wollten mit ’ner süssen kleinen 16jährigen tanzen. Und diese Sweet Little Sixteen hat ’ne halbe Million Fotos mit Autogrammen, bittet ihre Eltern um Erlaubnis, zu ’ner Rock ‚n’ Roll-Show gehen zu dürfen. Und da will sie erwachsen erscheinen: enges Kleid, Lippenstift, hochhackige Schuhe. Aber, oh morgen früh ist alles wieder vorbei, da ist sie in der Schule wieder, die süße unschuldige 16jährige. Welches 16jährige amerikanische Mädchen musste 1958 wohl nicht annehmen, dass sie von Chuck Berry beschrieben wurde? „Sweet Little Sixteen“ war dann auch Chuck Berry’s größter Erfolg in den USA, als diese Aufnahme im Februar 1958 Platz 2 erreichte.
1959 war Chuck Berry zum dritten Mal in einem Rock ‚n’ Roll-Film zu sehen. Der Film „Go, Johnny, Go“ beginnt damit, dass Chuck Berry’s Finger auf dem Griffbrett seiner Gitarre zu sehen sind, wie sie die Einleitung zu „Johnny B. Goode“ spielen. Diese Nummer war allerdings schon ein Jahr zuvor im Februar 1958 aufgenommen. Die Einleitung von „Johnny B. Goode“ ist Berry’s klassische Gitarren-Figur, und er verwendete sie mehreren anderen Stücken. „Johnny B. Goode“ – der Name ist wieder ein gelungenes Wortspiel – ist ein armer Negerjunge aus Louisiana, der mit der Gitarre sein Glück im Showgeschäft macht. Chuck Berry preist seinen Mythos: Amerika als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder – auch ein Neger – seine Chance hat.
Thema: Chuck Berry
01 Chuck Berry Maybellene 2.16 Chess 1604 1955
02 Chuck Berry You Can’t Catch Me 2.41 Chess 1645 1955
03 Chuck Berry Roll Over Beethoven 2.22 Chess 1626 1956
04 Chuck Berry School Day 2.40 Chess 1653 1957
05 Chuck Berry Sweet Little Sixteen 2.57 Chess 1683 1958
06 Chuck Berry Johnny B. Goode (ausgeblendet) 2.16 Chess 1691 1958
07 Chuck Berry Run, Rudolph, Run 2.37 Chess 1714 1958
08 Chuck Berry Little Queenie 2.36 Chess 1722 1959
09 Chuck Berry Let It Rock 1.41 Chess 1747 1959
10 Chuck Berry Memphis, Tennessee 2.10 Chess 1729 1959
11 Chuck Berry No Particular Place To Go 2.40 Chess 1898 1964
12 Chuck Berry The Promised Land 2.20 Chess 1916 1964
13 Chuck Berry Carol (live TV 22.7.72) 3.49 Chess 1700 1958
14 Professor Longhair Baby Let Me Hold Your Hand 2.03 Ebb 121 1961
Wortprokoll:
Guten Tag, liebe Zuhörer,
heute ist wieder ’mal Rock ’n’ zu hören. Als ich vor etwa 14 Tagen einen Bekannten traf, sagte der zu mir: „Mach’ doch ’mal ’ne schöne Sendung über Chuck Berry!“ Ob die Sendung nun schön wird, weiß ich nicht – jedenfalls heute also Chuck Berry. Dabei will ich Chuck Berry’s Biographie nur am Rande eingehen, sondern vielmehr auf seine Song-Texte, denn sie sind oft zeitgeschichtliche Dokumente. Allerdings eine Deutung der 10 bis 20 Jahre alten Berry-Texte aus heutiger Sicht halte ich für unzulässig, denn eine Formulierung wie „in seinen Songs verschmolz er die Wünsche und Frustrationen der jungen Hörer zur Vision einer Teenager- Subkultur“ – so zu lesen im Rock-Lexikon – versteht erstens kaum einer und ist zweitens auch völlig falsch, weil die Texte seinerzeit von niemandem so begriffen wurden.
Das war Chuck Berry’s erste Platte „Maybellene“ vom Mai 1955. Berry war damals bereits 28 Jahre alt, denn er ist nicht 1931 – wie selbst auf Plattenhüllen zu lesen ist -, sondern 1926 geboren „Maybellene“ ist eines der vielen Berry-Stücke über Autos. Das Auto ist ja wesentliches Element des amerikanischen Lebensstils. Und neben der Musik selbst war das Auto in Amerika während der Rock ‚n’ Roll-Aera ein Symbol jugendlicher Unabhängigkeit. Berry beschreibt das Auto und das Fahren in allen Einzelheiten und dabei benutzt er das Auto auch als Gleichnis für Sex und Männlichkeit. Er lobt sich selbst – er ist der raffinierteste und schnellste. „You Can’t Catch Me“ – Du kannst mich nicht einholen – ist dafür typisch. Die Doppeldeutigkeit Auto = Sex ermöglichte es Berry über zwei Dinge gleichzeitig zu erzählen. Ob das damals alle erkannten, wage ich zu bezweifeln. „You Can’t Catch Me“ – aufgenommen im Dezember 1955.
Neben dem Auto sind auch Rock ‚n’ Roll-Musik und das Teenager- Leben beherrschendes Thema in Chuck Berry’s Stücken. In zahlreichen dieser Songs zeigt sich eine weitere Eigenart der Berry-Texte. Chuck Berry erzählt nicht in der Ich-Form, sondern er ist unbeteiligter Beobachter. Als erstes Beispiel dafür „Roll Over Beethoven“ vom Februar 1956. Berry erzählt zunächst, wie sehr ihn Rhythm and Blues-Musik aufregt – wie dann aber dazu getanzt wird, schildert er als Zuschauer. Die Titelzeile „Roll Over Beethoven and dig this Rhythm and Blues“ wurde damals von den Jugendlichen keinesfalls als Aufforderung zur Rebellion verstanden, sondern als das, was es ist: ein gelungenes, witziges Wortspiel. Beweis dafür ist schon, dass die Aufnahme nur Platz 29 der Hitliste erreichte.
„School Day“ – aufgenommen im Januar 1957 – ist neben „Sweet Little Sixteen“ Chuck Berry’s wohl beste Darstellung des Teenager-Lebens der Mitt-50er Jahre, und zwar das der weißen Teenager. Denn Berry’s Songs zielten – obwohl die Musik schwarzer Rhythm and Blues – in erster Linie auf das weiße jugendliche Publikum. In „School Day“ beschreibt Berry, wie die Schule die Jugendlichen langweilt, aber er kritisiert sie nicht. Denn um 3 nach der Schule, da geht es gleich um die Ecke in eine Juke Joint – ein Lokal mit einer Musikbox – Geld ’rein, und dann wird Rock ‚n’ Roll getanzt. Das ist nichts weiter als einfach ein harmloses Vergnügen. Und am Schluss des Songs als Höhepunkt der jugendlichen Lebensfreude der Ausruf: Lang’ lebe der Rock ‚n’ Roll, bewahr’ mich bloß vor den alten Zeiten!
Sie rockten in Boston, in Pittsburg, in Texas, in San Francisco, in St. Louis und unten in New Orleans. Und alle Jungs wollten mit ’ner süssen kleinen 16jährigen tanzen. Und diese Sweet Little Sixteen hat ’ne halbe Million Fotos mit Autogrammen, bittet ihre Eltern um Erlaubnis, zu ’ner Rock ‚n’ Roll-Show gehen zu dürfen. Und da will sie erwachsen erscheinen: enges Kleid, Lippenstift, hochhackige Schuhe. Aber, oh morgen früh ist alles wieder vorbei, da ist sie in der Schule wieder, die süße unschuldige 16jährige. Welches 16jährige amerikanische Mädchen musste 1958 wohl nicht annehmen, dass sie von Chuck Berry beschrieben wurde? „Sweet Little Sixteen“ war dann auch Chuck Berry’s größter Erfolg in den USA, als diese Aufnahme im Februar 1958 Platz 2 erreichte.
1959 war Chuck Berry zum dritten Mal in einem Rock ‚n’ Roll-Film zu sehen. Der Film „Go, Johnny, Go“ beginnt damit, dass Chuck Berry’s Finger auf dem Griffbrett seiner Gitarre zu sehen sind, wie sie die Einleitung zu „Johnny B. Goode“ spielen. Diese Nummer war allerdings schon ein Jahr zuvor im Februar 1958 aufgenommen. Die Einleitung von „Johnny B. Goode“ ist Berry’s klassische Gitarren-Figur, und er verwendete sie mehreren anderen Stücken. „Johnny B. Goode“ – der Name ist wieder ein gelungenes Wortspiel – ist ein armer Negerjunge aus Louisiana, der mit der Gitarre sein Glück im Showgeschäft macht. Chuck Berry preist seinen Mythos: Amerika als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo jeder – auch ein Neger – seine Chance hat.
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