Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

 
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Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 28.04.2022 - 11:10 Uhr  ·  #1
Hallo Freunde,

nun komme ich mal mit einer allgemeinen Frage, die mich schon seit vielen Jahren interessiert, auf euch Musik-Experten zu.
Es geht, wie in der Überschrift zu sehen, um das Thema Popularität eines Liedes/Künstlers in den früheren Zeiten.

Seit 1954 gab es ja in Deutschland die ersten Gehversuche um die Popularität eines Songs, inklusive seiner dazugehörigen Künstlerangabe, in Form von Hitparadenauswertungen darzustellen.
So hatte die Zeitschrift "Automatenmarkt" begonnen, monatliche Auswertungen zu erstellen und zu veröffentlichen, die, die am häufigsten in Musikboxen gespielten Hits, in Form einer Schlager-Hitparade widerspiegelten.
In den späten 50er Jahren kamen dann die Hitparaden der Zeitschrift "Musikmarkt" hinzu, die eine Mischung aus Musikbox-Hits, Single-Schallplattenverkäufen und Radio-Einsätzen waren. Irgendwann basierten sie auf reinen Single-Verkäufen und in der heutigen modernen Zeit aus allem möglichen und wird größtenteils von jungen Menschen beeinflusst.

Nun aber zu meiner eigentlichen Frage:
Wie war das früher als es noch kein Internet, kein TV, keine Radios, keine Schallplatten und auch keine Clubs mit Musikboxen gab? Heute hört man ein Lied zufällig im Radio, Club, TV, beim Nachbarn oder im Internet und dann sagt man: "das gefällt mir!"
Wenn ich z.B. eine CD habe, die den Titel "Die größten Schlager der 20er Jahre" oder noch präziser "Die größten Schlager des Jahres 1930", "...1934", "...1941" heißt, nach welchen Kriterien kamen diese Popularitätsnachweise zustande?
Mir ist bewusst, dass es schon sehr früh, ab Anfang des 20. Jahrhunderts, die ersten Schellackplatten in Deutschland zu kaufen gab. Aber wer hatte schon damals ein Abspielgerät oder so viel Geld um sich seine Lieblingsplatten regelmäßig kaufen zu gehen!? Vor allem war dies bei jungen Leuten schlicht unmöglich. Oder waren es tatsächlich nur die Reichen und Älteren, die die Popularität eines Songs mit ihren regelmäßigen Plattenkäufen beeinflussten?

Noch ein Beispiel: eine CD die sich "Die 25 größten Erfolge" von Claire Waldoff oder von Otto Reutter nennt.
Auf beiden CDs sind viele Lieder drauf, die noch vor 1910 veröffentlicht wurden, allerdings nur in Form eines Zylinders.
Wodurch haben es z.B. diese beiden Künstler damals schaffen können, dass man deren Lieder als "erfolgreich" sehen kann? Wobei es doch weder TV-, noch Radio-Geräte gab. Durch reine Notenblätter-Verkäufe kann es ja auch nicht hinkommen, denn mithilfe von ihnen hatte man ja nur zwei Möglichkeiten, entweder den Song selbst zu spielen, oder ihn selbst nachzusingen. Aber um ihn nachsingen zu können, muss man ihn ja irgendwo nur zufällig und öffentlich mindestens 2x gehört haben, bis er einem gefiel.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Claire Waldoff sich jede Woche mitten auf den Marktplatz stellte und dort immer ihre gleichen Lieder dem Publikum vorsang, um einzelne bestimmte gezielt auf diese Art dem Publikum "beliebt" zu machen.
Später dann, in den 20er und 30er Jahren war es doch auch nicht wirklich anders.

Meine Frage und die ganzen Beschreibungen mögen für viele hier komisch klingen, aber es ist eine Sache, die mich wirklich schon seit Jahren verfolgt.
Es gibt viele Bücher und Quellen, die sich mit dem Thema beschäftigen, aber nirgendwo konnte ich bisher eine zumindest befriedigende Antwort zu der Frage finden und ich würde mich freuen, wenn ich hier jemanden finden könnte, der mir dazu etwas genaueres sagen könnte.
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Gepostet: 29.04.2022 - 11:49 Uhr  ·  #2
Hallo,
nun habe ich doch eine Seite entdecken können, die sich gezielt mit der Sache verfasst.
Also waren die Notenblätter anscheinend doch die einzige Bezugsquelle, mit der den Menschen die Lieder bekannt gemacht werden konnten :)
Falls noch jemand sich für diese uralten Informationen interessiert, hier ein paar Auszüge:

---In der entsprechenden Zeit gab es außer den Notenblättern keine Medien, die ein Lied allgemein publizieren konnten (siehe dazu "Geschichte der Tonaufzeichnung". Man kann davon ausgehen, dass Lieder über die Notenblätter ihre optimale Verbreitung fanden, weil nun Musikgruppen/Künstler überall im Land das Lied nachspielen konnten. Eine Uraufführung einer Operette war dagegen kein zeitlicher Garant dafür, dass ein Lied auch national bekannt wurde, nicht selten wurden Lieder erst Jahre später bekannt.----

---Der große kommerzielle Erfolg der Schallplatte, ermunterte ab 1900 zahlreiche Unternehmer eigene Schallplatten und Abspielgeräte zu produzieren. Begünstigt durch den relativ schlechten patentrechtlichen Schutz der Erfindung, boomte die Produktion vor allem in Europa. Binnen weniger Jahre entwickelte sich so ein äußerst innovativer, schnelllebiger Industriezweig, als dessen Zentren London, Paris, Hannover, Berlin und Wien galten. Dank des Konkurrenzkampfes kamen preiswerte Abspielgeräte einfacher Bauart in vielfältigen Formen auf den Markt. Selbst für die Unterschicht wurde das Unterhaltungsmedium preislich erschwinglich. Bis 1914 entstanden alleine in Deutschland etwa 500 konkurrierende Schallplattenmarken. Technische Verbesserungen ließen die Klangqualität stetig steigen. Allmählich wurden große Musiker wie Enrico Caruso, Nellie Melba und Hermann Jadlowker zu den ersten Schallplattenstars und verhalfen ihren Plattenkonzernen zu beträchtlichen Umsätzen. Besonders, das zunächst eigenständige Label Odeon, vom schwedischen Schallplattenkönig Carl Lindström, tat sich mit technischen Innovationen hervor und brachte die ersten großformatigen Platten (25, 27 und 30 cm) sowie die ersten doppelseitigen Pressungen auf den Markt.---

Oder eben direkt der Link zu dieser tollen Seite:

https://www.diwilek.de/popmusi…fzeichnung


Viele Grüße an alle
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 29.04.2022 - 15:35 Uhr  ·  #3
Natürlich waren Notenblätter sehr verbreitet, weil viele auch im familieren Kreis Hausmusik machten.
Aber für die Gassenhauer waren wohl eher die sehr beliebten Revuen oder der Leierkastenmann auf
dem 5.Hinterhof zuständig und dann in den 30'er Jahren eindeutig der Tonfilm ! Wenn Lilian Harvey
und Willy Fritsch im "Kongress tanzt" ihre Lieder sangen, oder Marlene im "Blauen Engel" u.v.a.
Das trieb die Leute in die Plattenläden.
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 29.04.2022 - 16:13 Uhr  ·  #4
Hallo Billy,

ja, das klingt schon mal alles sehr glaubhaft.
Revue und Leierkastenmann, die umsonst auf den Straßen spielten.
Aber was die 30er Jahre betrifft, fanden die damaligen Teenager tatsächlich solche Schlager wie Lilian Harvey oder Marlene Dietrich toll!? :-/
Und was noch dazu kommt, hatten die jüngeren Leute so viel Taschengeld um sich Tonfilme im Kino anschauen zu gehen?

Ich kann mir das irgendwie überhaupt nicht so ganz vorstellen, aber es gab ja, neben den Gassenhauern, kaum andere Alternativen, bis der Swing und allgemeine Tanzmusik und dann irgendwann der Rock 'n' Roll nach Deutschland rüber kam
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Gepostet: 29.04.2022 - 18:04 Uhr  ·  #5
na Chris,

natürlich fand die Mehrheit diese Musik toll, jede Generation hat seine Musik. So wie die Rock'n'Roll-Generation
zum grössten Teil auch wenig mit der heutigen Rap-Musik anfangen kann.
Speziell was deine geposteten Hitparaden aus den Fifties angeht, da waren soviel seltsame Titel dabei,
ich kann mir z.B. kaum vorstellen, das Jugendliche in die Läden gingen, um sich Platten vom Polizei-Orchester
zu kaufen :-)
Und was die Eintrittspreise in damalige Kinos betrifft, das waren nur Pfennig-Beträge, die konnte sich
auch das normale Fußvolk leisten.

Gruss Billy
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 29.04.2022 - 18:28 Uhr  ·  #6
wobei noch zu vermerken wäre, das die Käuferschicht, die für Hitparadenplätze zuständig sind, sich im Laufe der Zeit
extrem verjüngt hat. Waren es früher Twens, sind es jetzt Teens !
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Gepostet: 29.04.2022 - 20:28 Uhr  ·  #7
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 29.04.2022 - 23:08 Uhr  ·  #8
Eine andere Geschäftsidee war, dass ein Vertrag zur monatliche Abnahme von einer bestimmten Menge an Schellackplatten man ein kostenloses Grammophon oder ein verbilligtes bekam.
Viele Familien griffen hier zu
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 30.04.2022 - 00:34 Uhr  ·  #9
Vielen Dank Billy und Deutschbeat,

das ist wieder mal sehr interessant was von euch kam.
Und Billy, dass die Kinos damals so günstig waren, das wusste ich nicht, aber ich freu mich über jede Info, die ich hier im Forum von euch kriege.
Auch die Sache mit den Polizeiorchestern in den Musikbox-Hitparaden empfinde ich genau wie du, als völligen Quatsch.
Deswegen sagte ich ja, dass man diesen Automatenmarkt-Hitparaden kein großes Vertrauen schenken kann. Sehr viele merkwürdige Platten waren dort vertreten. Aber ich nutze sie eben nur als Nebenbei-Quelle, da es ja für diese Zeit keine anderen vergleichbaren Ranglisten gab. Zum Glück kamen Ende 1956 schon die BRAVO-Hitparaden und in ihnen wurde dann tatsächlich sehr glaubhaft das widerspiegelt, was wirklich beim Massenpublikum populär war.
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 02.05.2022 - 22:00 Uhr  ·  #10
Ich habe hier noch einige weitere interessante Zeilen gefunden, die sich auf meine Frage beziehen:


"Die 1920er Jahre tanzten und träumten zu Musik amerikanischer Prägung - und mit dem Tonfilm wurden erstmals auch Interpreten zu Stars. Doch diese kurze Blüte fand ihr abruptes Ende im Nationalsozialismus 1933, als auch zahlreiche jüdische Interpreten und Komponisten verboten und im Zuge der NS sogar verschleppt wurden."
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 02.05.2022 - 23:12 Uhr  ·  #11
...das stimmt natürlich, aber direkt Ende würde ich nicht sagen, denn die Propaganda in der Zeit brauchte Revuefilme erst recht, die für gute Stimmung sorgten.
So tanzten viele noch weiter auf dem Vulkan, teils aus Überzeugung - teils weil es sicherer war mit zu tanzen !

zu "Davon geht die Welt nicht unter" oder "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern"
Und da sie es gut machten, merkte das normale Publikum kaum, das sich die Reihen gelichtet hatten.
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Re: Allgemeine Frage zur Bezeichnung "Popularität eines Songs" in frühen alten Zeiten

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Gepostet: 17.07.2022 - 17:23 Uhr  ·  #12
Hallo Freunde,
auf einer Art passend zu meinem alten Thema, ist mir aufgefallen, dass auf den meisten Schellackplatten bis zur Mitte der 50er Jahre meistens der Name des Tanzorchesters, anstatt des Sängers, hervorgehoben waren.
Warum war dies so und bis wann könnte man diese Praktik eingrenzen?
Genau dasselbe war ja auch bei den amerikanischen Veröffentlichungen.
Bei den ersten Frank Sinatra-, Helen Forrest-, oder Ray Noble-Songs waren die Sängernamen nur so nebenbei oder auch gar nicht auf den Plattenlabels erwähnt.
Würdet ihr folgende Platte eher Will Glahé oder dem Golgowsky-Quartett zuordnen?
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