WERNER VOSS RRM-001, 28. Mai 1974

 
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Gepostet: 05.07.2021 - 14:18 Uhr  ·  #1
WERNER VOSS RRM-001, 28. Mai 1974

Thema: Die Rock ‘n’ Roll-Stilarten

Bill Haley & His Comets Hot Dog Buddy Buddy 2.40 Decca 29948
Huey “Piano” Smith & The Clowns Don’t You Just Know It 2.36 Ace 545
Smiley Lewis One Night 2.31 Imperial 5380
Elvis Presley One Night (angespielt) 0.52 RCA 47-7410
Little Richard Can’t Believe You Wanna 2.30 Specialty 611
Carl Perkins Sure To Fall 2.36 Sun 235
Ronnie Hawkins & The Hawks One Of These Days 2.38 Roulette 4154
Bo Diddley Who Do You Love 2.34 Checker 842
The Spaniels Peace Of Mind 2.55 Vee-Jay 229
The Capris There’s A Moon Out Tonight 2.15 Old Town 1094
Little Caesar & The Romans Those Oldies But Goodies (Remind Me Of You) 3.24 Del-Fi 4158
The Crescendos Let’s Take A Walk 1.57 Scarlet 4007
Ron Holden & The Thunderbirds My Babe 2.10 Donna 1315
Chan Romero Hippy Hippy Shake 1.45 Del-Fi 4119
Paul Chaplain & His Emeralds Shortnin’ Bread 1.58 Harper 100



W O R T P R O T O K O L L:

Sprecher: Klaus Wellershaus (K.W.)

Guten Tag, liebe Zuhörer,

vor zwei Jahren ungefähr bekam ich einen Brief von einem Zuhörer, der sich beklagte darüber, dass ich irgendwelche Fehler gemacht hatte in einer Sendung, in der es um Memory Hits ging, um alte Sachen also, und um die geht es ja heute. Und ich habe den Mann, der damals mir geschrieben hat, eingeladen, doch diese Sendung einmal zu machen. Es wird Zeit, finde ich. Dieser Mann heißt Werner Voss. Er sitzt hier drüben am Tisch. Ich möchte ihn kurz vorstellen.

Werner, machen Sie das irgendwie berufsmäßig?

Werner Voss (W.V.): Nein, das ist mein Hobby, dass ich mich mit dieser Musik intensiv beschäftige.

K.W.: Was machen Sie denn sonst?

W.V.: Ich bin Verwaltungsbeamter

K.W.: Verwaltungsbeamter, in was für Sachen?

W.V.: Liegenschaften. Grundstücksan- und –verkauf für die Stadt.

K.W.: Hat also partout nichts hiermit zu tun. Wie sind Sie zu so was gekommen? Haben Sie selbst in der Zeit, in der Rock ‚n‘ Roll aktuell war – im Moment ist er ja wieder aktuell -, haben Sie da irgendwie aktiv mitgemacht?

W.V.: Nein, ich bin musikalisch nahezu sozusagen passiv gewesen, aber ich habe diese Musik intensiv gehört und großen Gefallen daran gefunden und bin dann Anfang der 60er Jahre dazu übergegangen, systematisch diese Musik zu sammeln.

K.W.: Wie sieht so was aus, im Grunde?

W.V.: Das sieht so aus, also heute, dass man am Wochenende, am Sonnabend, die An- und Verkaufsläden abgrast, alle vier Wochen den Flohmarkt, und dass man auch teilweise Auslandsreisen unternimmt. So werde ich in diesem Jahr ein zweites Mal nach New York fliegen, um dort auch die Oldies-Läden abzu- klappern.

K.W.: Das ist aber eine ganz schön aufwändige Angelegenheit.

W.V.: Och, das kann man sicherlich sagen.

K.W.: So, und nun würde ich mal sagen, schieß mal los

W.V.: Ja, die Präsentation von Rock ‚n‘ Roll muss Ihnen auf den ersten Blick hin als eine einfache Angelegenheit erscheinen, weil doch die Mehrheit von Ihnen daran ganz bestimmte Vorstellungen und Erwartungen knüpft. Diese Vorstellungen und Erwartungen sind aber weitgehend von Vorurteilen und Klischees geprägt. So ist zum Beispiel Rock ‚n‘ Roll weder von Bill Haley noch von Elvis Presley erfunden worden, wie es zurzeit wieder einmal eine Jugendzeitschrift ihren Lesern weismachen will. Eine andere weit verbreitete irrige Vorstellung ist die, dass Rock ‚n‘ Roll eine einheitliche Musikart ist. Das stimmt nicht. Rock ‚n‘ Roll ist nichts anderes als eine willkürlich geschaffene Sammelbezeichnung, eine Art Überbegriff für eine Vielzahl musikalischer Stilrichtungen der 50er und frühen 60er Jahre. Ich möchte in dieser Sendung anhand von Beispielen diese verschiedenartigen Stilrichtungen aufzeichnen und kurz erläutern. Die meisten Aufnahmen, die Sie gleich hören werden, sind meines Wissens noch nie im NDR gespielt worden.

Das war Bill Haley & His Comets mit „Hot Dog Buddy Buddy“ aus dem Jahre 1956. Haley’s Musik verkörpert eine der fünf Stilrichtungen des Rock ‚n‘ Roll, sie sich vom Beginn der 50er Jahre bis etwa 1957 getrennt voneinander ent- wickelten, und zwar neben der eigentlichen Pop-/Schlagermusik und dem Jazz. Auf die Art und die Gründe dieser Entwicklung kann ich wegen der Kürze der Sendezeit heute nicht eingehen. Nur so viel sei vermerkt, dass die getrennten Entwicklungen neben sozialen Ursachen hauptsächlich geographisch bedingt waren. Bill Haley’s Musik gehört zum Northern Band Rock ‚n‘ Roll , der ausschließlich von weißen Musikern gespielt wurde. Diese Stilart war auf die nordöstlichen Staaten der USA beschränkt und ist aus dem Kansas-City-Jazz abgeleitet, mit Soli auf ein oder zwei No- ten, verbunden mit gymnastischen Verrenkungen der Musiker auf dem Klavier oder Bass. Charakteristisch ist auch das Gesangsschema mit Anrufen des Solisten und Rückrufen des Refrains durch die Band, ein Schema, das schwarze Bands benutzten, und das vom Ruf-/Antwort-Schema des klassischen Blues abgeleitet ist.

Die zweite Stilart ist der New Orleans Dance-Blues, für den Huey Piano Smith & The Clowns mit „Don’t You Just Know It“ aus dem Jahre 1957 ein gutes Beispiel vorführen. Viele von Ihnen werden den Song in der einen oder anderen späteren Aufnahme kennen. Mitte der 60er Jahre hieß er „Don’t Ha-Ha“ von Casey Jones & The Governors. Der New Orleans Dance-Blues war nicht, wie man vermuten könnte, auf New Orleans allein beschränkt. Man findet ihn in ganz Louisiana, in den angrenzenden Südstaaten Mississippi, Alabama und Georgia. Seinen Namen erhielt dieser Stil, weil die Schallplatten seiner Interpreten fast ausschließlich in New Orleans aufgenommen wurden.

Das war Smiley Lewis mit „One Night“ vom Oktober 1955. Elvis Presley machte davon 1958 eine Cover-Version mit völlig sinnentstelltem Text. Smiley Lewis, der 1966 verstarb, wurde bei einigen seiner Aufnahmen auch von Fats Domino begleitet, dem wohl prominentesten Vertreter des New Orleans Dance-Blues, der nur von schwarzen Musikern gespielt bzw. gesungen wurde.

Auch Richard Wayne Penniman, als Little Richard berühmt geworden, gehört zu dieser Stilrichtung. Sein „Can’t Believe You Wanna Leave“ aus dem Jahre 1956 erklärt die Bezeichnung Blues.
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Gepostet: 05.07.2021 - 15:32 Uhr  ·  #2
Der New Orleans Dance-Blues hat seine besonderen Merkmale in dem rollenden Klavierspiel und den dominierenden Saxophon-Riffs und –Sätzen. Die dritte Stilart ist der Country-Rock oder Rockabilly. Wie diese Bezeichnung sagt, liegen die musikalischen Wurzeln hier in der weißen Country- und Hill- billy-Musik und der schwarzen Rhythm ‚n‘ Blues- und Rock-Musik. Diese beiden Musikarten wurden verschmolzen, und daraus entstand ein ganz merkwürdiger und mit reißender Sound. Hierfür als Beispiel Carl Perkins mit „Sure To Fall“ vom März 1956, eine Aufnahme, die ganz deutlich die Ursprünge in der Country-Music hören lässt.

Charakteristisch für den Country-Rock ist neben dem Gesangsstil, das ausschließlich Seiten Instrumente verwendet wurden. Blasinstrumente fehlen gänzlich. Country Rock entwickelte sich ab 1954 in den Südstaaten mit einem Zentrum in Memphis und wurde nur von weißem Musikern gespielt. Allerdings auch konnten auch diese sich nicht ganz den afroamerikanischen Einflüssen entziehen, und wahrscheinlich wollten sie es auch gar nicht. Dazu gehörten auch Ronnie Hawkins & The Hawks aus Arkansas, die wir eben mit „One Of These Days“ aus dem Frühjahr 1959 gehört haben. Das ungefähre Gegenstück zum weißen Country-Rock war die vierte Stilrichtung, der Chicago Rhythm & Blues von Musikern wie Chuck Berry und Bo Diddley. Dieser Stil ist eigentlich nichts weiter als die für das damalige weiße Publikum kommerzialisierte Form des laute, rauen, beatigen Chicago-Blues, der dort seit Ende der 40er Jahre von Musikern wie Muddy Waters und Howlin‘ Wolf entwickelt wurde. Als Beispiel hören wir Bo Diddley mit „Who Do You Love“ von 1956.

Ein scheinbar absoluter Gegensatz dazu ist die fünfte Rock ‚n‘ Roll-Stilart, der Vocal-Group-Style, der Gruppengesang. Er entwickelte sich Anfang der 50er Jahre aus dem Gesang schwarzer Gospel-Gruppen, also religiöser Gesangsgruppen, und schwarzer Close-Harmony-Gruppen, die beim weißen Publikum sehr beliebt waren. Und er entwickelte sich in den Slums und Ghettos der Großstädte zunächst bei der schwarzen Jugend und später auch – nach seinem allgemeinen Erfolg – bei der weißen Jugend, insbesondere bei den Italo-Amerikanern. Wie die Bezeichnung Vocal-Group-Style aussagt, lag das musikalische Schwergewicht auf der gesanglichen Darbietung eines Songs, meist Balladen, durch eine Gruppe, die aus einem Leadsänger und zwei bis vier Harmoniesängern bestand. Instrumente traten in den Hintergrund und wurden dafür stimmlich nachgeahmt. Als Beispiel hier The Spaniels mit „You Gave Me Peace Of Mind“ aus dem Jahre 1956.

Sicherlich werden die wenigsten von Ihnen die eben gehörte Musik unter Rock ‚n‘ Roll einordnen, eben weil Rock ‚n‘ Roll leider immer noch als Radaumusik abqualifiziert wird. Doch gerade der melodiöse Rock ‚n‘ Roll der Vokalgruppen war die Spielart schwarzer Musik, die bei den weißen Jugendlichen von etwa 1952 an großen Anklang fand. Und nur wenige Jahre später taten die Weißen es ihren schwarzen Vorbildern gleich, so auch The Capris 1958 mit „There’s A Moon Out Tonight“.

Solche Vokalgruppen gab es zu Tausenden und ihre Musik war es, die bereits kurze Zeit nach ihrem Popularitätshöhepunkt das Wort „Oldie“ entstehen ließ und den ersten Oldie-Boom auslöste. Little Caesar & The Romans sangen schon 1961 von den Oldies but Goodies und bedienten sich dabei zahlreicher Melodie-Schnipsel aus vergangenen Hits.

Ich sagte am Anfang, dass sich fünf Stilrichtungen des Rock ‚n‘ Roll bis etwa 1957 getrennt voneinander entwickelten. Diese Stilarten hatten die Schlagermusik und den Jazz in der Gunst der Jugend der unteren Mittelschicht abgelöst. Und diese Jugend drängte nun danach, sich selbst in dieser neuen Musik auszudrücken. Doch die neuen Rock ‚n‘ Roll-Sänger legten sich nicht mehr auf nur eine Stilart fest, sondern sie vereinigten auch verschiedene Richtungen zu einem mehr oder minder individuellen Mischstil. Als erstes Beispiel hierfür The Crescendos, eine weiße Gruppe, mit „Let’s Take A Walk“ aus dem Jahre 1958, einer Mischung aus Chicago Rhythm & Blues und Vocal-Group-Style.

Sie werden es gehört haben. Die letzte Platte knackte natürlich etwas. Aber in Anbetracht des Alters der Platte bitte ich dies zu entschuldigen. Nun eine Mischung aus New Orleans Dance-Blues und Chicago Rhythm & Blues. Hier ist Ron Holden mit „My Babe“ aus dem Jahre 1960.

Eine Fortentwicklung aus dem Country-Rock und Chicago Rhythm & Blues ist Chan Romero’s „Hippy Hippy Shake“ aus dem Sommer 1959. In den 60er Jahren war Chan Romero’s „Hippy Hippy Shake“ ein Standardtitel für die Beat-Gruppen. Denken Sie nur an die bekannte Version der Swingin‘ Blue Jeans von 1963. Während die Interpreten der erwähnten ursprünglichen fünf Rock ‚n‘ Roll-Stilarten auch nach 1957 ihrem jeweiligen Stil treu blieben, formten die neuen, jungen Interpreten aus den verschiedenen Elementen eine Art Mainstream-Stil, bei dem es manchmal recht schwer fällt, noch die einzelnen Elemente genau heraus zu hören. So bei Paul Chaplain & His Emeralds, den wir mit „Shortnin‘ Bread“ von 1960 hören.
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