und ein bißchen Zeitgeschichte, erzählt vom Künstler selber im Jahre 2011
Von Heinz Maria Lins
Eine kleine Vorgeschichte, die für meinen Weg Bedeutung hat:
1936/36 war am „Schwarzen Brett“ der Münchner Ludwig Maximilian Universität eine Bekanntmachung, dass sich Studenten melden sollten für ein Vorsingen am „Gärtnerplatz Theater“ zwecks Bildung eines Studenten-Extra-Chores zur Neuinszenierung von Fritz Fischers „Die lustige Witwe“. Ich ging hin – und meine Proben begannen am folgenden Montag.
Jetzt die große Bedeutung:
1947 sprach mich in der Neuhauser Straße ein Herr an und meinte, er kenne mich als tollen Bariton vom Studentenchor. Er war auch dabei, hatte inzwischen seinen „Dr.“ gemacht und leitet jetzt die „Münchner Volksoper“. Dr. Barth hieß er, und er wollte mich als Lyrischen Bariton an seinem Theater haben. Verhandlungen nach einem Vorsingen – das musste sein – bekam ich einen Vertrag als 1. Lyrischer Bariton für „Waffenschmied“ (Graf Liebenau), „Wildschütz“ (Graf Eberbach), „Lustige Weiber“ (Herr Fluth), Monatsgage 350,00 DM. Dr. Barths Orchester bestand aus 50 Mann (aus dem Osten gekommene Musiker), dazu ein Chor und Solisten, auch teilweise aus Ostdeutschland. (Datum 20. März 1947)
(Hinweis: Die Gagenangabe von Herrn Lins kann sich nicht auf die allererste Zeit des Engagements bezogen haben, da das noch vor der Währungsreform war. Die Deutsche Mark – DM – wurde erst am 20. Juni 1948 eingeführt.)
1948 habe ich den Zar in „Zar und Zimmermann“ gesungen. Der Dirigent der Oper war Marc Roland, mit einem guten Namen, den er sich als Theaterkapellmeister in Bremen und Berlin in den zwanziger Jahren erworben hatte und der ihm auch den Weg zur Filmmusik als Komponist geöffnet hatte (z.B. „Fridericus“, „Eine Nacht im Paradies“, „Ferien vom Ich“). Bei der Hauptprobe verlangte er, dass die Orchestermusiker mein dreistrophiges Zarenlied ohne ihn begleiten müssen: „Ich dirigiere das Vorspiel, die Zwischenspiele und das Ende vom Lied, das heißt, nur das Nachspiel. Sie hören auf Herrn Lins und begleiten ihn“.
In einer der ersten Vorstellungen hieß es: „Heute ist der Pringsheim mit Gattin im Theater“. Die Stimmung im Hause war sehr nervös. Ich wußte nicht warum. Der Name Pringsheim sagte mir nichts. Als dann noch der Dirigent in meine Garderobe kam – was er vor jeder Vorstellung tat – auch noch „Heute ist der Pringsheim da“ sagte, meinte ich „Na und?“ – „Nach der Vorstellung reden wir darüber“ – toi, toi, toi und weg war er.
Nach der Vorstellung kam Herr Roland in meine Garderobe. Jetzt hörte ich von ihm: Dr. Heinz Pringsheim, verheiratet mit einer Dame aus dem Hause Thomas Mann, war bis 1932 Kapellmeister an der Deutschen Oper in Berlin, dann Berufsverbot, Aufenthalt in Amerika, Rückkehr 1945 mit den Amerikanern, eingesetzt als Leiter der Musikabteilung bei „Radio München“, Gründung mit K. A. Hartmann der „Musica Viva“, gefürchteter Musikrezensent für die Allgemeine Musikzeitung, Berliner Volkszeitung, Süddeutsche Zeitung, Neue Züricher Zeitung und Münchner Merkur.
(Hinweis: Heinz Pringsheim war wohl nicht mit einer Dame aus dem Hause Thomas Mann verheiratet. Hingegen war seine Tante Katharina „Katja“ Pringsheim die Ehefrau von Thomas Mann.)
Die Nervosität der Damen und Herren bei dieser Vorstellung war also erklärbar. „Der Einzige, der sich nichts anmerken ließ, gespielt und gesungen hat wie immer, waren Sie, Herr Lins“, sagte der Abendspielleiter nach der Vorstellung.
Dr. Heinz Pringsheim, geb. 07.04.1882, München, gest. 31.09.1974 in München.
Ich hatte ja keine Ahnung von der Biographie und all dieser Zusammenhänge.
Am darauf folgenden Tag kam per Motorrad ein Bote vom Radio München mit einem Brief von Herrn Dr. Pringsheim mit der Bitte, mich möglichst sofort bei ihm im Funkhaus zu melden. Sogleich fuhr ich zum Funkhaus, meldete mich bei der von den Amerikanern eingerichteten Polizeistelle, diese Herren wussten schon Bescheid: „Herr Lins zu Herrn Pringsheim“. Rechts den Gang, das 3. Zimmer. Jetzt stand ich vor diesem Zimmer und mein Selbstwertgefühl war mit Herzklopfen und feuchten Händen im Keller. Mein Kriegsschutzengel, den ich nach Kriegsschluss auf einer „R H“-Wolke vermutete, muss mir wieder zugeteilt worden sein, denn er trieb mich an, die Türe nicht zu kratzen, sondern laut und gleichsam frech zu klopfen… „Herein“ hörte ich, drückte die Klinke und schon stand ich vor zwei Damen: Die ältere, sie hieß Frau Röhrl, rührte sich überhaupt nicht, die andere bemerkte sehr freundlich: „Ah, der Zar vom Doktor“. Sie öffnete eine Türe und in diesem Zimmer erhob sich ein Herr, streckte mir seine Hand zum Gruß entgegen, hieß mich Platz zu nehmen, und nach ca. 2 Stunden wusste ich, dass ich für ihn, dem Herrn Dr. Pringsheim, wie er sagte „d e r Lied-Sänger“ sei. Begeistert war er von der Stimme, meiner Musikalität und der daraus folgenden Interpretation meines „Zarenliedes“ und von der verständnisvollen Begleitung des Kapellmeisters. Der wurde später Rundfunkrat beim Münchner Rundfunk. (Von ihm nahm ich ein Lied auf: „Unter dem Sternenzelt“).
Zuerst versprach mir Dr. Pringsheim für die kommende Zeit jede Woche zwei Liedsendungen zu produzieren – entweder mit einem Hauspianisten oder einem Liedbegleiter nach meiner Wahl. Auch sagte er, er wolle und werde sich um mich kümmern. Er hielt sein Versprechen. Später gab es immer wieder Menschen, die sagten: „Wir werden noch viel zusammen machen“, und diese Zusagen waren nicht einmal die Luft wert, die von solchen Leuten verbraucht wurde bei ihrer Sprache.
Für die nächsten 3 Monate bekam ich nach diesem Besuch bei Dr. Pringsheim die Termine für diese Sendungen. Alles ging gut, bis Herr Tiedemann, der Chef für Operette, mir Aufnahmen anbot. Herr Dr. Pringsheim ließ mich rufen und sagte: „Herr Lins, mit Ihrer Stimme haben Sie eine Verpflichtung der Musik gegenüber. Da können Sie keine Operette aufnehmen“. Meine Antwort, „Herr Dr., in Amerika spielt Benny Goodman das Klarinettenkonzert in f-moll von C. M. v. Weber und am nächsten Tag die tollste Tanzmusik“. „Ja, Herr Lins, wenn Sie einmal einen großen Namen haben, dürfen Sie alles“
„Jetzt muss ich Geld verdienen!“
„Ja, schreiben Sie an die Theater in Deutschland und alle Rundfunkanstalten im deutschsprachigen Raum. Berufen Sie sich auf mich. Sie werden sehen, man holt Sie, und Sie werden Geld genug verdienen. Bei mir erhält kein Sänger so viel Geld wie Sie.“
Kein Theater ließ was hören, nur Radio Bremen lud mich zu Aufnahmen mit dem Rundfunkorchester ein, und Herr Schmitthenner vom – damals noch französisch geleiteten – Sender Saarbrücken. Die letztgenannte Station hielt mir bis zum Tode Schmitthenners für Klavierlieder-Aufnahmen, für Produktionen mit großem Orchester und für öffentliche Veranstaltungen die Türe offen.
Hans Bund vom Kölner Funkhaus holte mich, mit einem freundlichen Schreiben zu zwei Aufnahmen von Liedern mit seinem „Kleinen Unterhaltungsorchester“. Nach der zweiten von ihm durchgeführten Produktion löschte er meine Hoffnung auf weiteres Zusammenarbeiten und sagte mir, dass er „von höherer Stelle“ mit dem Satz „Was hast Du denn unserem Willy für eine Laus in den Pelz gesetzt mit diesem Lins!“ gerügt worden war. Willy Schneider war gemeint mit „unserem Willy“. So war die Sicherheit von Herrn Schneider gesichert. Wie es in Wien heißt: „A echter Weaner geht nicht unter“ – analog für Köln.
Am Tag meiner Ausbootung bei Hans Bund saß ich vor meinem Abflugtermin nach München im Funk-Kasino zu einem Abschiedskaffee, und da sprach mich ein älterer Herr an (ich glaube, sein Name war Bernhard oder Herrmann): „Herr Lins, ich möchte mit Ihnen – Besetzung gleich der von Herrn Bund – nächste Woche noch Aufnahmen machen.“
„Da werden Sie keine Möglichkeit haben, Herr Bund hat mir gerade vor einer Stunde eröffnet, dass ich am Sender Köln persona ingrata bin, zum Schutze des Haussängers Schneider.“
„Herr Lins, ich gehe in 4 Wochen in Rente, da können die da oben sagen, was sie wollen. Mir kann keiner mehr an den Wagen fahren.“
Dieser starke Mann lud mich zu sich und seiner Frau ein, bewirtete mich und brachte mich per Taxi zum Flugplatz. Die Aufnahmen fanden statt.
Der Ehrlichkeit halber muss ich schon schon noch sagen, dass der Herr Kardinal Frings (Köln) ausdrücklich gewünscht oder gefordert hat, meine Aufnahme „Die Kirschen in Nachbars Garten“ für Sendungen zu sperren (Ralata refero).
Als das Jahr begann, hatte ich noch Termine von Dr. Pringsheim für „Kleine Kostbarkeiten“ (3.1.1949), „Schöne Stimmen“ (14.1.1949), Aufnahme im großen Sendesaal mit Publikum von „La Traviata“ (21.1.1949) mit Richard Holm, Valerie Bak. Ich sang den „Vater Germont“. Mittagskonzerte mit dem Orchester Kurt Graunke (29.1.1949), „Kleines Konzert“ Klavier-Lieder von Hugo Wolf, „Zeitgenössischer Musikspiegel“ (1.2.1949 und 17.2.1949), Opern: „Peer Gynt“ (Der Schmied), „Columbus“ (Herold), Leitung: der Komponist Werner Egk, „Der Zerrissene“ von Gottfried von Einem, unter Eugen Jochums Opern-Produktionen: „Idomeneo (Arbaces), „Tosca“ (Spoletta), „Fidelio“ (Gefangener), „Butterfly“ (Sharples), „Carmen“ (Dancairo) usw.
Herr Pringsheim erzählte mir, dass er bald aufhören werde, weil er sich nicht verbiegen lasse. Man „müsse“, so sagte er, „jetzt einen jungen Sänger fördern, der zwei große Geldfirmen hinter sich hat.“ Ich sagte ihm, dass der Chorvorstand des Rundfunks, die Herren Schwert, von Lochner und Trykar, schon zweimal in meiner Wohnung waren und mich im Auftrag des Chorleiters, Herrn Kugler, einladen sollten, in den Chor einzutreten. Herr Pringsheim meinte, eine Festanstellung auf Zeit könnte von Nutzen sein, wenn Herr Kugler mir die Zusicherung gegeben würde, mich für Produktionen bei anderen Unternehmen frei zu stellen. Herr Kugler lud mich zu einem Gespräch ein und er versprach, mich ohne Einfluss auf eine Funkanstellung zu fördern. Nur zu Aufnahmen des Männerchores braucht er unbedingt meine Stimme, „allgemein werden wir uns schon einigen“. Ich gehörte dem Chor von 1950 bis 28. Februar 1958 an (Zeugnis).
Zu den von Herrn Kugler zugesagten Freiheiten gehörten zusammen mit der Bayerischen Staatsoper die Opernfestspiele in Dublin („Fidelio“ – August Seider, H. H. Nissen, Helmut Fehn, Esther Mühlbauer, Antonia Fahberg, John Kuhn, Lis als Minister – Dirigent Hans Gierster). Gierster und ich nahmen am dortigen Sender auch Lieder auf.
Am Gärtnerplatztheater sang ich (nach dem Studentenchor) den René in der Operette „Die Dubarry“ mit Nora Henjon und auch Sári Barabás.
Nach Hannover holte mich für Produktionen der Leiter der Nebenstelle vom NDR (Béla Sanders). Der Chef des Operettenhauses „Am Aegi“, der diese Funkaufnahmen mit seinem Orchester leitete, holte mich zu verschiedenen Produktionen. Er fragte mich stets: „Was wollen Sie als nächste Operette bei mir singen?“. Dann kam der Intendant der „Münchner Opernbühne“, Paul Helmut Schüssler, und verpflichtete mich als „Domkapellmeister“ für eine Tournee von „Schwarzwaldmädel“. Diese Operette sang ich über 1500 Mal in dieser Inszenierung und in gleicher Inszenierung mit verschiedenen Partnern, dann auch in einer Tournee des Schweizer Tournee-Theaters Grabowski. Es folgte eine Tournee, „Der fidele Bauer“, mit 900 Vorstellungen (teils mit der Münchner Opernbühne, teils mit Grabowski) und „Das kleine Hofkonzert“ mit der Münchner Opernbühne. Mit diesen Tourneen konnte ich nicht nur deutsche Städte kennenlernen (die mindestens ein kleines Theater oder eine größere Halle mit Bühne hatten), sondern auch Holland, Belgien, Österreich und die Schweiz. Ein Theater auf Tournee gleicht zwar einem „Hundeleben auf hohem Niveau“, aber man lernt die Welt kennen und lieben.
Ehe die ersten Tourneen beganneb, hatte ich noch ein paar schöne Erlebnisse mit den Brüdern Kurt und Rolf Wilhelm. Kurt war Regisseur, er besetzte Opern für Bild und Funk so: Bekannte Schauspieler und Schauspielerinnen mit bekannten Sängern oder Sängerinnen. So sang ich bei ihm den Massetto („Don Giovanni“ – unter Hermann Scherchen), dann den Fernsehfilm „Der liebe Augustin“. Da sang und spielte ich den „Jasormirgott“ – später am „Aegi in Hannover“ war ich besetzt als „Augustin“. …… Beide Wilhelms nannten mich stets „Mizzi“, das Kosewort eines Bayern für Maria.
„Mizzi, komm sofort nach Kaiserslautern, wir haben Aufnahmen angesetzt für großes Orchester und Bariton. Morgen früh 10.00 Uhr.“ – Gut am Tag darauf saß das Orchester – schon vorgeprobt – Versuch einer Aufnahme war gescheitert, weil der Sänger aus Wien die 6 Lieder nicht singen konnte (Rolf Wilhelm Komponist und Kapellmeister). Den Namen des Sängers nehm ich mit ins Grab.
Ein anderer Anruf: „Mizzi, komm sofort nach Wien. Wir haben die Künneke-Operette ‚Lieselotte von der Pfalz‘ vollständig augenommen mit den Orchester Marszalek und nur den Gesang von „Herzog Philipp“ ausgespart. Diese Rolle wollte unbedingt der Münchner Staatsschauspieler Arendt selbst singen.“
„Die hat Gustaf Gründgens gesungen, und was der konnte, kann ich auch“ – wurde mir erzählt.
Ich fuhr nach Wien, am nächsten Vormittag gegen 10.00 Uhr sagte man mir, wir müssten mit der Aufnahme noch warten, weil Herr Marszalek persönlich dabei sein möchte. Die Aufnahmen begannen, ich mit dem Klavierauszug in der Hand und Höhrer an den Ohren. Die Musik wurde mir vorgespielt, Herr Marszalek hatte beim Vorspielen dirigiert, aber ich sagte ihm: „Ich habe Augen zum Lesen und Ohren zum Hören. Ich brauche keinen Dirigenten.“ Er hörte auf mich, blieb aber im Raum (Vorspielen, Aufnahmen, aus) bis zum Ende. Dann kam er auf mich zu, gab mir beide Hände und sagte; „Dass Sie eine schöne Stimme haben, wusste ich schon lange, aber dass Sie so musikalisch sind, ist mir neu. Wir werden noch viel zusammen arbeiten!“ Und so war es dann auch. Jetzt war ich in Köln trotz der Liebe der Kölner zu „ihrem Willy“. Marszalek produzierte mit mir Operetten, ein Lied – von mir getextet und komponiert, und plötzlich war ich als persona grata sogar abends des Öfteren bei Marszaleks eingeladen.
Zu dieser Zeit waren beim Sender München mehrere kleine Orchester beschäftigt, neben dem Unterhaltungs- und Symphonieorchester. Das Glück für die Musiker war, dass nach den Kriegszerstörungen der Musikarchive. Neuaufnahmen in jeder Richtung notwendig wurden.
Am Sender München hatte sich aus bayerischen und aus dem Osten gekommenen Musikern ein großes Streichorchester gebildet. Weil man aber den Hörern nicht immer ein- und dasselbe Orchester mit demselben Namen zu Gehör bringen wollte, nannten sich die Mitglieder immer nach einem Komponisten oder Arrangeur, der seine eigenen Werke dirigierte, so hieß es z.B.: es spielte das Orchester Raimund Rosenberger oder das Orchester Heinz Conzelmann, Artur Schanze, Lothar Gottlöber u.s.w. Ihre eigene Note bestimmten die Dirigenten, indem sie einen bestimmten Klang für ihre Aufnahmen erzielten mit der Verwendung z.B. von einem Fagott, einem Horn oder anderen Farbengebern des Klanges.
Alfons Bauer spielte: Zither, dazu eine Harmonika, eine Gitarre und 2-3 Geigen, Streichbass.
Rudi Knabel spielte: Zither, dazu kamen noch Harmonika, 1 Bassgeige, 1 Gitarre, 2-3 Geigen und Cello als besonderer Klangeffekt.
Franz Deuber produzierte Aufnahmen mit den Streichern des Tanzorchesters vom Bayerischen Rundfunk als Streichorchester Deuber.
Ernst Jäger nahm ein Angebot von Herrn Rosengarten an, dem Chef der Decca mit Sitz in Zürich, der ihn mit seinem Orchester zu Aufnahmen in Genf einlud. Herr Jäger bat mich als Sänger mitzukommen. Die Aufnahmen zogen sich sehr lang hin, so dass „wir“ warten mussten, bis Hans Albers 2 Titel fertig gebracht hatte. Über 3 Stunden waren wir gezwungen, weil Hans Albers – wie er sagte: sein Gedächtnis nicht bekommen hat. Sein „Gedächtnis“ war Whisky, der Aufnahmetag war angesetzt für Sonntag (20 h – 23 h für Albers) und die Geschäfte waren geschlossen, so dass er kein „Gedächtnis“ hat kaufen können. Es war dennoch sehr lustig mit ihm. Er hatte ja ständig einen Hut auf, und auf seine Frage „Sind wir allein?“, also ohne Zuschauer und Zuhörer, setzte er seinen Hut ab. Er scheute sich als großer Schauspieler sich zu zeigen, wie man halt in einem bestimmten Alter aussieht ohne Garderobier und ohne Schminke… Der Kopf mit seinen sagenhaft blauen Augen war bekränzt mit einem kleinen Ring von Haaren – und das wollte er halt verheimlichen.
Mit einer kleinen Abfindung von Herrn Jäger fuhr ich nach München zurück, obwohl mich Herr Rosengarten gebeten hatte, über Zürich meinen Weg zu nehmen und mich dort mit ihm über einen Vertrag (Decca) zu unterhalten. Ich hatte aber gehört, Herr Rosengarten kaufe alle Sänger für sich ein, damit sie vom „Markt“ weg und damit keine Konkurrenz für „seine bei ihm schon Singenden“ sein können. – Herr Jäger rief mich an und erzählte mir, dass Herr Rosengarten die Gage für das Orchester Jäger erst bezahle, wenn „der Lins“ bei ihm vertraglich gebunden ist. Herr Jäger bat mich dringend, täglich rief er mich an, wirklich taglich mehrere Male, ich solle für Herrn Rosengarten den Vertrag, den er, Herr Jäger, mir überbracht hatte, unterschreiben. Tage später kam Friedrich Schröder nach München zu Ralph Maria Siegel, um ihn zu fragen nach dem Sänger mit großer Palette. Er, Schröder, ist vom Bertelsmann Buch-Club gebeten worden, die Abteilung Schallplatte zu führen und dazu benötige er einen Sänger für Volkslied, Kunstlied, Operette und Oper. Da hat Siegel gemeint, dass es da nur einen gebe, den Heinz Maria Lins. Siegel rief mich an und fragte, ob ich jetzt gleich für einen bekannten Operettenkomponisten zu sprechen wäre. Eine Stunde später erschien Herr Schröder, verpflichtete mich für den Schallplattenring des Bertelsmann Buch-Clubs.
Aus dem Vertrag mit Rosengarten holten mich zwei Rechtsanwälte der Münchner Bavaria heraus. Allerdings nach einer schweren Verhandlung. Schröder war einverstanden, dass ich die 6 Titel, die ich (unter Vorbehalt) unterschrieben hatte, noch für Teldec auf Platte singen sollte. Löns-Lieder – Leitung Lothar Brühne – waren meine ersten Bertelsmann-Aufnahmen. Die Zusammenarbeit mit Schröder war herrlich, Operetten, Unterhaltungslieder, was mein Herz begehrte. Nach Friedel Schröders Tod (1970) hörte ich wenig, bis schließlich die Bertelsmann-Produktion ganz einschlief.
1987 stand ich zum letzten Mal auf der Bühne als Domkapellmeister.
Die Besprechungen in den Zeitungen entsprachen in ihrer Güte denen der Premiere. Ich habe immer (darauf geachtet und) gepredigt, dass auch unsere soundsovielhunderste Vorstellung für das „heutige“ Publikum eine Premiere ist.