Hallo Thorsten (und alle anderen),
in dem einen Punkt kann ich Dir recht geben. Die 50er Rock'n'Roller waren sicher nicht alle so clean, was illegale Drogen angeht. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass in den 50er Jahren etwa Carl Perkins und seine Brüder mit dem guten alten "Moonshine" zufrieden waren (hier zeigt sich schon, dass "legal" ein relativer Begriff ist, denn in den Appalachen wurde seit jeher viel Schnaps schwarz gebrannt), gibt es mit Ray Charles und Dion di Mucci schon mal mindestens zwei Musiker, die bereits in den Spät-50ern / Früh-60ern voll auf Heroin waren. Über Ricky Nelson gibt es, was Marihuana angeht, widersprüchliche Aussagen, ob er es nun schon in den 50ern oder erst in den Spät-60ern zum ersten Mal probierte. Der Chicano-Sänger Lalo Guerrero hat übrigens schon ca. 1952 den "Marijuana Boogie" aufgenommen.
Insofern habe ich auch einen Funken Verständnis für Deine Empörung über Hermanns "Reinwaschung" der alten Rock'n'Roller. Tatsache ist aber, dass der Kult um (illegale) Drogen in der Rockmusik erst Mitte der 60er begann: ohne LSD-Trips hätte es keinen Psychedelic Rock gegeben, und von Velvet Underground gibt es sogar den Titel "Heroin". D.h., ein "Drogen-Image" gab es erst dann. Daher die Illusion, dass vor 1965/66 die Musiker höchstens mal ein paar über den Durst getrunken und Kette geraucht hätten. Sorry, Hermann, ganz so war es sicher nicht, auch wenn der eigentliche "Drogen-Boom" unter den Musikern erst Mitte der 60er begann. Inwieweit die Genannten (die ja auch von Dir eingeräumten) Ausnahmen von der Regel waren, sei einmal dahingestellt.
Allerdings verstehe ich nicht ganz Deinen (Thorstens) Seitenhieb auf Gerd. Ich selbst sehe die Grenze der Ära des klassischen Rock'n'Roll genauso - und das seit Jahrzehnten (Damit sind wir immerhin schon zwei

).
Ich denke, dass hier viel auf einem Missverständnis beruht, was den Terminus Rock'n'Roll angeht.
Ich habe mir daher angewöhnt, wenn ich die Musik der Ära 1954/55 bis 1962/63 meine (eventuell sogar verengt auf einen Endpunkt 1959/60), von "klassischem Rock'n'Roll" zu sprechen, und den Terminus "Rock'n'Roll" für jede Art fetziger Rockmusik zu benutzen. Wenn man dann noch den damit (nicht zwangsläufig) einhergehenden "Rock'n'Roll-Lebensstil" (Touren, Drogen, Groupies, Hotelzimmer zerlegen etc.) berücksichtigt, dann ergibt Ian Durys Song, der ja nun weiß Gott kein Rock'n'Roll im klassischen (etwa Gerds) Sinne ist, einen Sinn.
Daher appelliere ich an "beide Seiten": Beide Definitionen von "Rock'n'Roll" im Hinterkopf haben, auch wenn man selbst vielleicht nur einer davon zugeneigt ist, und keine pseudoreligiöse Verbissenheit an den Tag legen, dann verringern sich die Missverständnisse.
MfG, Volker