Viel Disco,viele Scans .........
Hier etwas Text:
Die 1943 in Detroit geborene Mary Wells kam 1962 als Motowns erster Solo-Star heraus. Sie hatte als Kind im Kirchenchor und als Teenager bei Schulveranstaltungen gesungen. Außerdem trat sie mit Jungenbands auf: „[Sie] wollten mich zwar nicht haben, aber ich war hartnäckig“, erklärt sie. Mit achtzehn bewarb sie sich bei Berry Gordy, jedoch nicht als Sängerin, sondern als Songschreiberin mit einer a cappella-Version ihres Songs “Bye Bye Baby“, den sie für Jackie Wilson geschrieben hatte. Gordy gefiel nicht nur der Song, sondern auch Wells, und er nahm sie unter Vertrag. “Bye Bye Baby“ wurde 1961 als Wells' erste Single veröffentlicht und erreichte # 45 der Pop-Charts. Im folgenden Jahr schafften Wells und das Motown-Label mit “The One Who Really Loves You“, gefolgt von “You Beat Me to the Punch“ und “Two Lovers“, den Sprung in die Top 10.
Im Gegensatz zu dem Teenager-Image der Marvelettes präsentierte sich Wells als etwas erwachsener, obwohl auch sie noch unter zwanzig war. In Songs wie z.B “Two Lovers“ war Wells der jugendlichen Sehnsucht nach einem festen Freund eindeutig entwachsen und verglich nun mit einer gewissen Reife ganz gelassen ihre "zwei Liebhaber" (eigentlich die zwei Charakterseiten des Mannes) miteinander. Wells' Singles, die auf “Two Lovers“ folgten, patzierten sich in den Charts zwar etwas niedriger, doch mit der Veröffentlichung von “My Guy“ (1964) konnte sie an ihren Erfolg anknüpfen. Das von Smokey Robinson geschriebene “My Guy“ war Wells' größter Erfolg, ein # 1-Smash-Hit (der erste # 1- Hit für das Motown-Label), der sich zwei Monate lang in den Top 10 hielt. Motown baute diesen Erfolg noch weiter aus. Wells sang zusammen mit Marvin Gaye, und die beiden hatten im Mai und Juni 1964 mit “Once Upon a Time“ und “What's the Matter with You Baby“ zwei Top 20-Hits. Im Herbst 1964 ging Wells mit den Beatles auf England-Tournee und trat somit als erste Motown-Künstlerin außerhalb der USA auf.
Doch zu dieser Zeit war Wells' Run auf die Charts und ihre Zeit bei Motown bereits vorbei, denn sie war nicht nur Motowns erster Solo-Star, sondern auch Motowns erster Verlust. Auf Drängen ihres damaligen Mannes Herman Griffin (ebenfalls Angestellter und Songschreiber bei Motown) verhandelte Wells mit Twentieth Century Fox über einen Vertrag bei deren Platten-Label, wobei sie die Hoffnung hegte, auch ins Filmgeschäft einsteigen zu können. Als sie im Mai 1964 einundzwanzig wurde, verließ sie Motown und erklärte ihren Vertrag für ungültig, da sie ihn als Minderjährige unterzeichnet hatte. Nachdem sie sich nach einem Rechtsstreit offiziell von Motown getrennt hatte, unterschrieb sie einen Vertrag bei Fox, was sich jedoch als Katastrophe erwies. Nur eine einzige ihrer Singles schaffte den Sprung in die Top 40 (“Use Your Head“, 1965 auf # 34), und Filmverträge kamen auch nicht zustande. Wells wechselte 1966 zu der Atlantic Tochter Atco, konnte jedoch auch dort ihre Karriere nicht wieder in Schwung bringen und landete schließlich bei den Oldies.
Trotzdem versuchte sie, ihre Situation positiv zu sehen: „Ich war ziemlich verletzt wegen dieser 'Odies but Goldies'-Sache“, erzählt sie Gerri Hirshey in Nowhere to Run. „Aber in Wirklichkeit heißt es doch wohl 'Oldies but Goodies', oder? Wir haben alle total viel Spaß ... ich sage, komm, ich lehne mich einfach zurück und entspanne mich mit den Kids, geh du nur arbeiten.“
Berry Gordy startete den ersten Versuch, bei Motown einen Solostar zu lancieren, mit Mary Wells. Mary hatte alle Chancen, Amerikas erstes schwarzes Teenageridol zu werden. Sie beeindruckte mit einem süßen Gesangsstil, doch ihre Stimme besaß auch eine gewisse Kühle, sie war hübsch und etwas rundlich, ganz dem modischen Stil vor der Popularität des abgemagerten "dolly bird"-Looks entsprechend. Und obwohl sie keine faszinierende Performerin war (anstatt zu tanzen stand sie stocksteif auf der Bühne), hatte sie doch einige sehr gute Nummern, die ihr Produzent Smokey Robinson geschrieben hatte. 1964 wurde sie Motowns erfolgreichste Solokünstlerin, als “My Guy“ # 1 wurde.
In “My Guy“, erzählt ein Mädchen von seiner Hingabe und Treue an ihren wenig bemerkenswerten und in keiner Hinsicht sonderlich attraktiven Freund: „No handsome face could ever take the place of my guy“ behauptete Mary. Das Lied traf eine empfindliche Stelle im Bewusstsein des Publikums. Vielleicht weil die Jungen sich damit trösten konnten, dass es nicht so schlimm sei, wenn sie nicht so viel hermachten, und die Mädchen sich besser fühlten, wenn sie mit jemandem ausgingen, der nicht so toll aussah . Marys Beschreibung dürfte mit den Erfahrungen der meisten Fans übereingestimmt haben: „He may not be a movie star, but when it comes to being happy - we are.“ Smokey der Erz-Romantiker, nutzte also wieder einmal den Trick, zugleich eine bestimmte Art von Beziehung zu idealisieren und ein wirkliches Gefühl der Hörer anzusprechen.
Mary Wells war Motowns erster leuchtender Star. “Your Old Standby“ war 1963 in den Top 40, aber bereits ein Jahr später verließ sie die Firma.
Es sah so aus, als bliebe Mary auf lange Zeit Motowns bestverkäufliche Künstlerin. Aber sie steckte ihre Ziele noch höher, sie wollte Filmstar werden. In der Hoffnung, diesem Traum näherzukommen, verließ sie Motown und unterschrieb bei Twentieth Century Fox Records - wo ihre Karriere als Plattenstar leider platzte, bevor sie auch nur begreifen konnte, dass es um ihre Filmchancen eher schlecht bestellt war. Ihr Abschied von Motown war übereilt und im Rückblick unklug. Die Moral aus der Geschichte lag auf der Hand: Wenn irgendjemand schwarze Stars hervorbringen konnte, dann nur Motown. Auch bei Motown war nicht alles Gold, was glänzt, aber es gab keine Alternative. Keine andere größere Gesellschaft im Musikgeschäft hatte auch nur das geringste Interesse, schwarzen Künstlern eine Karriere aufzubauen. Trotz Marys kurzer Zeit bei Motown trugen ihre Platten dazu bei, einen neuen Sound schwarzer Pop-Musik zu etablieren. Der Sound war jung, sehr romantisch und er drückte meist eine gesellschaftlich vollkommen respektierte Gefühlswelt aus. Smokey Robinson, der für andere Motown-Künstler ebenso viele Lieder schrieb wie für seine eigene Band, die Miracles, schuf einen neuen männlichen Helden, den ("new man ") im Pop der Sechziger. Nichts war dem "love 'em and leave 'em"-Image des männlichen Herumtreibers ferner, der im traditionellen schwarzen Toast, in Versen und Geschichten, im Blues und in vielen R&B-Stücken verewigt worden war, als Smokey Robinsons Bild vom sanften, ergebenen Liebhaber. Vorbei war es mit dem verwerflichen Jody, dem Kerl, der sich mit den Frauen anderer Männer davonmachte, während deren Männer oder Freunde fort, im Krieg oder im Gefängnis waren. Vorbei war es mit dem prahlenden Sechsminutenmann, hervor trat der von Liebe Überwältigte, der sein Herz in den Händen hielt und sich bescheiden als Ehemann anbot. Smokeys Lieder lagen ganz auf der Doo Wop-Linie, voll extravaganter romantischer Versprechen. Gleichzeitig waren seine Songs raffiniert, er spielte mit der Sprache und gab all den Geschichten, Metaphern und Sprüchen in den liebesbeteuernden Versen einen absolut unwiderstehlichen Dreh. Der Liebhaber, den Smokey zeichnete, war der Wirklichkeit gewordene Traum jedes Mädchens: verbindlich, intelligent, weltgewandt und gebildet - jedoch, auf fast naive Weise, absolut entschlossen, ihr, und nur ihr, ein Leben lang ergeben zu sein.
Songs wie “The One Who Really Loves You“, “You Beat Me To The Punch“ und “Two Lovers“, die Mary Wells erfolgreich noch vor “My Guy“ veröffentlichte, waren charakteristisch für Smokey Robinsons Produktion. In “Two Lovers“ erzählt uns Mary Wells zunächst: „I got two lovers, but I ain't ashamed, two lovers and I love them both the same“, doch schon am Ende des Stücks enthüllt sie unbedacht: „You're a split personality and in reality - both of them are you“, Eine spießige Lösung, gewiß, aber 1962 klärte der Song die Lage originell und mit Witz, Intelligenz und Scharfblick.
Die gefühlvollen Liebeslieder von Smokey Robinson täuschten ein wenig über den femininen, wenn auch nicht gerade feministischen Blickwinkel des neuen "sound of young America" hinweg. Smokey sprach von denselben Zielen wie die New Yorker Girl Groups. Er erzählt von der großen Teenagerliebe, die mit der Heirat im Stil der weißen Vororte endet. Smokeys Lieder waren nicht "macho", aber sie wurden mittlerweile auch nicht mehr als ausgesprochen mädchenhaft angesehen. Der Geist der Mädchenbands hatte die männliche Welt der populären Musik soweit erfasst, dass Männer nun ebenso gut wie Frauen naive, idealistische Lieder über Liebe und Romantik interpretieren konnten. Die neue Künstlergeneration bei Motown schien die Gefühlswelt ihrer Väter und Mütter hinter sich zu lassen: Weder schickten sich die Männer an, die kurzen Freuden ihrer sexuellen Unabhängigkeit zu feiern, noch gedachten die Frauen, ihre einsame Liebe zu einem stets abwesenden Mann zu beklagen. Glückliches Umwerben und die folgenden Wonnen der Ehe schienen die bessere Alternative zu sein. Diese Aussicht wurde in gewisser Weise Wirklichkeit, das Ende von Armut, Unsicherheit und schmerzlicher Trennung im Leben vieler schwarzer Familien und der Aufstieg in die angesehene Mittelklasse mussten nicht länger bloße Träumerei bleiben. Die schwarze Musik sollte nun eher Hoffnung, Aufregung und jugendlichen Idealismus zum Ausdruck bringen und sich weniger mit dem Durchhalten und dem Arrangement mit dem Elend beschäftigen.
Gruß
Heino