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erst heute im Netz entdeckt ................
Es stand ein Haus in New Orleans
Fats Domino war einer der größten Pianisten des 20. Jahrhunderts, ein Pionier des Rock 'n' Roll. Hurrikan Katrina überlebte er knapp, nun ist der 89-Jährige verstorben.
Von Bodo Mrozek
Totgesagt zu werden gehört für Popstars eines gewissen Alters zum Berufsrisiko, wenn auch selten im klinischen Sinne. Als aber vor zwölf Jahren der Hurrikan Katrina New Orleans verwüstete, da gab man kurzzeitig auch einen der prominentesten Bewohner der Musikmetropole in den grauen Fluten verloren: Fats Domino. Er tauchte wohlbehalten wieder auf, doch sein gelbes Holzhaus mit dem schwungvollen Gartenzaun und dem Monogramm F. D. an der Front hatte der Schlamm fortgerissen – und mit ihm eine Musiksammlung von nationaler Bedeutung. Musik ist das wohl wichtigste Exportprodukt der Stadt am Mississippi und nur wenige haben diesen Rohstoff so gekonnt verarbeitet wie Fats Domino, geboren 1928 als Antoine Domino.
Als achtes Kind einer französisch-kreolischen Familie aus Vacherie in Louisiana fing er klein an: als Eislieferant und Fabrikarbeiter. Das Klavierspiel schaute er sich vom Schwager ab, die Musik diktierte ihm seine Geburtsstadt in die Tasten. Diese typische Mischung aus Jazz, Blues, Boogie-Woogie und Rhythm & Blues. Domino verschmolz alles im typisch klimpernden Pianostil der späten Vierziger. Seine Abendgage betrug keine zehn Dollar, als ihn der Jazz-Trompeter Dave Bartholomew, ein Talentsucher des Plattenlabels Imperial, im Club Hideaway entdeckte. Solche unabhängigen kleinen Firmen, deren Musik zeitweise in segregierten race charts geführt wurde, schufen jenen Stil, der später unter dem Rubrum Rock'n'Roll zusammengefasst werden sollte, und zu denen auch der "New Orleans Dance Blues" gehört, wie der Rockchronist Charlie Gillett ihn einmal bezeichnete. Domino war einer seiner prominentesten, wenn nicht sogar sein wichtigster Interpret.
Schon der erste Versuch wurde 1950 so etwas wie Dominos Signature-Hit: eine Cover-Version des Alkoholikerbekenntnisses “Junkers Blues“ unter dem Titel “The Fat Man“. Der mehr gesprochene als gesungene Text entstammt klar der Blues-Tradition, ist aber mit einem treibenden tanzbaren Rhythmus unterlegt. Der Song brachte ihm eine Million verkaufter Platten und einen bleibenden Künstlernamen ein, eine Referenz an den Pianisten Fats Waller.
"Fats" Domino füllte künftig das Format des Fat Man aus – das männliche Äquivalent zum schwarzen Stereotyp der "Big Mama", dem positiven Klischee einer so freundlichen wie gemütlichen Figur, das dennoch tief im Südstaatenrassismus wurzelt. Durch Auftritte in mehreren Rock'n'Roll-Filmen kannte ihn bald auch ein weltweites Kinopublikum. Seinem Erfolg schadete das nicht: Stücke wie “Rockin' Chair“ (1951), “Blueberry Hill“ (1956) oder “I'm Walkin'“ (1957) gehören zu den unbestrittenen Classic-Rockern.
Im Dominoschen Rock'n'Roll hallte noch die Big-Band-Ära der Blas- und Tasteninstrumente nach, doch auch in der der zweiten Hälfte der Fünfziger behauptete er sich gegen die wachsende Dominanz der E-Gitarre. Die Billboard-R&B-Hitparade führte er mit ganzen 63 Chart-Hits an, von denen allein zwanzig Top 20-Singles zwischen 1955 und 1960 erschienen. Wurden viele schwarze Sänger von ihren weißen Kopien überflügelt und schnell vergessen, so blieb Domino stets präsent. Zwar fanden auch seine Stücke weiße Nachahmer wie Teresa Brewer oder Pat Boone, dessen Aufnahme von “Ain't That A Shame“ sich öfter verkaufte als das Original. Doch der Piano Man aus New Orleans kämpfte sich immer wieder in die Charts hinauf. “I'm In Love Again“ katapultierte ihn abermals in die Top 10 – und auch sonst wurde fast alles, was er anfasste, zum Hit.
Anhand von Dominos Diskografie lässt sich denn auch die oft erzählte Geschichte einer schwarzen, vermeintlich echten und tiefen Musik, die von Nachahmern weiß gewaschen wird, infrage stellen. Wenn auch viele schwarze Künstler von ihren Label-Chefs mit miserablen Verträgen abgespeist wurden, so war die Musik namens Rock'n'Roll doch immer eine transkulturelle Mischung, in der sich unterschiedlichste Einflüsse gegenseitig überlagerten und durchdrangen. Nachgeahmt wurde durchaus auch in umgekehrte Richtung: Domino etwa coverte den weißen Countrysänger Hank Williams.
Der Offbeat-Rhythmus in “Be My Guest“ war 1959 ein prototypisches Ska-Stück, das auch jamaikanische Musiker inspirierte. Der kreolische Dialekt seiner Gesangsstimme ergänzte den pumpenden Pianostil um eine weitere typische New Orleans-Komponente. Lediglich der Versuch, Anfang der Sechziger auch noch die Twist-Welle zu reiten, ging daneben. Die so eilig wie schlampig produzierte Platte “Dance With Mr. Domino“ blieb eine Eintagsfliege, zumal der als Mr. Twister positionierte Chubby Checker als eine Art Domino-Wiedergänger konzipiert worden war. Vor- und Nachnamen waren deutliche Referenzen an Domino ebenso wie beim Deutschen Otto Ortwein, der in den Sechzigern unter dem Pseudonym Fats and His Cats im Hamburger Star Club auftrat.
Ehrungen und ein Lebensabend in Las Vegas
Als 1963 Dominos Vertrag mit Imperial auslief, wechselte er zum Major-Label ABC-Paramount, später zu Mercury und Reprise. Hatten kleine Independent-Label und vor allem die von ihnen gemieteten unabhängigen Studios den Rock'n'Roll mit seinem oft rumpelnden und polternden Sound geprägt, so schadete der Wechsel zu großen Plattenfirmen vielen Künstlern, weil sich damit auch der Sound auf eine Weise veränderte, die das alte Publikum verprellte. Auch Domino gelang es nicht mehr, an die Verkäufe seiner Jahre bei Imperial anknüpfen.
Umso wichtiger wurden weltweite Auftritte mit seiner Begleitband, die gleich zwei Saxofonisten im Ensemble hatte (darunter der langjährige Weggefährte Lee Allen) und einige wichtige Konzertalben aufnahm.
Der Rest nimmt sich aus wie die typische Karriere einer amerikanischen Rocklegende: Ehrungen, Auszeichnungen, ein Kurz-Revival durch einen Werbespot, Aufnahmen in die Halls of Fame und schließlich ein Lebensabend auf den Glitzerbühnen von Las Vegas, vor mit Reisebusladungen alternder Fans gefüllten Rängen. Extravaganzen wie die von Little Richard, Eskapaden wie die von Chuck Berry oder Drogenexzesse wie die von Ray Charles wurden nicht bekannt; zuletzt hatte sich der Vater von acht Kindern fast gänzlich ins Privatleben zurückgezogen.
Nachdem der Sturm Katrina diesen beschaulichen Lebensabend beinahe frühzeitig beendet hatte, organisierten frühere Weggefährten wie Little Richard und B. B. King ein Solidaritätskonzert, das half, nicht nur einige kommunale Einrichtungen, sondern auch Fats Dominos gelbes Haus wieder aufzubauen.
In eben diesem Haus starb Antoine "Fats" Domino am 25. Oktober im Alter von 89 Jahren. Er war einer der wichtigsten Pianisten des 20. Jahrhunderts.
Gruß
Heino