ELVIS auf deutsch

 
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ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 07.01.2013 - 16:14 Uhr  ·  #1
Moin moin,

morgen wäre der King 78 Jahre alt geworden und aus diesem Anlaß und ihm zu Ehren gibt es heute bei memoryradio die zweite Folge von "Elvis Songs auf deutsch" mit Aufnahmen aus den Jahren 1960 und 1961.

Wo und wann?

- www.memoryradio.eu

- am heutigen Montag ab 19 Uhr

- Wiederholung am nächsten Samstag ab 14 Uhr

Die dritte Folge von "Elvis Songs auf deutsch" gibt es dann am 6.1.2014 😉

Thorsten
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 08.01.2013 - 17:49 Uhr  ·  #2
Danke, da ist mir das Original doch lieber.
Und mal ehrlich, gibt es dabei wirklich Songs, die auch nur annähernd an den Status von Elvis rankommen? Dazu sind / waren die Musiker und Produzenten in USA dich wirklich nicht zu erreichen.
Man höre mal genau bei Kraus und Co. hin, musikalisch nicht zu ertragen. Ausnahmen lasse ich gelten.
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 05:20 Uhr  ·  #3
Hallo Helmut,

das ist ja damit nicht gemeint, dass deutsche Coverversionen "besser" seien als die Originale von Elvis. Das sind sie mitnichten. Auch wenn die Ted Herold-Fans darüber streiten werden...

Aber sie haben durchaus einen Skurrilitätscharakter, über den ich Augen zwinkern und schmunzeln kann.

Selbiges gilt auch wenn ich Bill Ramsey vom gelben Unterseeboot singen höre.

Schöne Grüße von Thorsten

P.S. Ich werde immer nochmal wieder auf unsere gemeinsame Beatles-Veranstaltung im Hamburger Grünspan angesprochen. Und war 2000....(!) War aber einfach ein gelungener Tag...
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 07:06 Uhr  ·  #4
Dass die deutschen Cover-Versionen musikalisch so schlecht waren, hat auch damit zu tun, dass es damals so gut wie keine guten Gitarristen gab.
Woher sollten sie es auch können? In Sachen Blasmusik war man geübter.

PS: Ja, Thorsten, das war die VA - 40 Jahre Beatles in Deutschland - das hattest Du sehr gut organisiert.
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 11:21 Uhr  ·  #5
Rader schrieb:
Zitat
Dass die deutschen Cover-Versionen musikalisch so schlecht waren, hat auch damit zu tun, dass es damals so gut wie keine guten Gitarristen gab.
Woher sollten sie es auch können? In Sachen Blasmusik war man geübter.

Zum besseren Verständnis für meine am Schluss folgende Antwort auf Rader's Aussage vorerst meine These:
In den USA wurde ja die Musik des Rocknroll zum "kriminellen Vorgang" degradiert und das erzeugte bei unseren Plattenbossen große Angst und sie waren wenig bereit, diesen "kriminellen Vorgang" auch bei uns einzuführen. Die US-Bosse merkten aber bald, dass mit diesem kriminillen Vorgang ganz schön Kohle zu machen wäre wenn man sie "entkriminalisieren" würde und das schafften sie mit Pat Boone und anderen Interpreten locker und das Geld floss.
Das blieb natürlich auch unsere Bossen nicht verborgen und sie verwendeten zu diesem Zwecke einen gut ausgebildeten Tänzer, Schauspieler und Sänger, den sie rein optisch als Rocknrollstar deutscher Zunge verkauften nur die Musik hatte eher nichts mit Rocknroll zu tun. Man kupferte zwar den "Pat Boone-Entkriminalisierungs-Vorgang" ab, orientierte sich aber dabei mehr am alten Försterhaus. Das ganze war also extrem dünn aber nach der krankhaften Diktion keinesfalls mehr "kriminell". Ganz sicher waren sie sich ihrer Sache offensichtlich doch nicht, denn sonst hätten sie nicht einen zweiten Rocknroll-Star kreiert der allerdings keinerlei künstlerische Ausbildung hatte, aber eben das Rocknroll-Feeling besaß was dazu führte, dass ihm eine dem Rocknroll musikalisch weit nähere Begleitung zugestanden wurde. Sehr interessant finde ich dabei den Umstand, dass sowohl Peter Kraus als auch Ted Herold bei der gleichen Firma heimisch waren.

Ich meine zum Unterschied von Helmut, dass unsere Musiker genauso gut oder schlecht wie die US-Musiker waren und es gibt ja auch einige Beispiele die das bestätigen könnten. Als erstes Beispiel fällt mir als Wiener natürlich Robert Benett's "Du liebst nicht heiße Rhythmen" ein wo man sehr stark merkt mit wieviel Freude die Musiker bei der Sache sind. Auf Anhieb würde man einen Teddy Windholz sicherlich nicht mit Rocknroll in Verbindung bringen. Dass die Stimme von Robert Benett eher der von Peter Kraus ähndelt ist für mich dabei ohne Bedeutung. Mir geht es nämlich ausschließlich um die Musik und die Stimme ist für mich nichts anderes als ein Instrument, welches mit den anderen Instrumenten harmonieren muß. Mir ist der Text daher auch relativ egal da ich, wenn es mir um eine Botschaft geht, diese aus der Musik und nicht aus dem Text hören will. Für einen textorientierten Rocknroller ist das natürlich nicht nachvollziehbar, aber das ist eben meine subjektive Sichtweise, die sich jeder individuell selbst gestalten muß.
Wie schon erwähnt halte ich unsere Musiker für sehr gut und dass sie oft schreckliche Arbeiten ablieferten hat meiner Meinung nach rein existentielle Gründe. Wenn ein Berufsmusiker der eine Familie zu erhalten hat die Anweisung seiner Bosse bekommt ja nicht zu US-soundig zu werden, wird er dem meist nachkommen und kaum rebellisch werden, es geht ja um die Existenz seiner Familie und da wäre den Meisten das Riskio zu hoch. In den "Nischen" konnte man sich dann etwas "ausleben", wie die Beispiele von Teddy Windholz und anderen zeigen.
Als Jugendlicher in den Fünfzigern waren mir die deutschsprachigen Platten bis auf ganz geringe Ausnahmen völlig egal. Seit ich mich mit Cover-Versionen befasse muß ich weit mehr in die Materie eindringen und komme oft zur Erkenntnis, dass es diese "Nischen" in einer hohen Anzahl gegeben haben muß. Es gibt nämlich eine ganze Reihe von sehr guten Cover-Versionen, die in den Fünfzigern offensichtlich totgeschwiegen wurden. Aber alleine den Umstand finde ich schon sehr interessant wenn man eine Cover-Version, ganz unabhängig von deren musikalischer Qualität, entdeckt, die man nicht für möglich gehalten hätte. In diesem Sinne gehe ich mit Thorsten völlig d'accord.
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Gerd
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 11:28 Uhr  ·  #6
Sehr gute Begründung, das sehe fast zu 100 Prozent genau so.
Was die Gitarren angeht - wenn damals jemand ein Instrument lernen wollte, oder sollte, dann waren es Geige, Klavier oder vielleicht auch Saxohon. Aber eben garantiert nicht Gitarre.
Daher die schlechte Arbeit auf so manchen Platten.
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 12:24 Uhr  ·  #7
Die akustische Gitarre - andere kannte man ja kaum - war ja in vor 1954 in Deutschland nur als bescheidenes Begleitinstrument bekannt, sei es zur Begleitung von Laiengesang beim Wandern oder am Lagerfeuer, als Requisit kabarettistischer Lautensänger wie Richard Germer und spanischer Folkloregruppen, oder als (schon von der relativen Lautstärke her) unauffälligster Teil der Swing- oder Barmusik-Rhythmusgruppe. Also eher nichts Erstrebenswertes für geniale Talente - jazziges Improvisieren und Virtuosität waren was für die Bläsersolisten. Und wenn so ein kreuzbraver Schrumm-Schrumm-Akkordgitarrist dann plötzlich eine E-Gitarre in die Hand gedrückt bekam und ein rockiges Solo auch nur anhand der US-Platte nachspielen, geschweige denn selbst kreativ gestalten sollte, war das manchmal halt so, als wenn man einen gemütlichen Taxifahrer in einen Formel-1-Boliden setzt.... Ausnahmen gabs natürlich (Paul Würges, Coco Schumann), aber das waren eben auch nur Ausnahmen. Mit den Schlagzeugern wars übrigens nicht viel anders, auch die spielten in älterer "deutscher" Musik kaum eine Rolle die über eintöniges "hm-ta-ta" hinausging - dementsprechend waren es oft die eher kleineren Lichter, die dieses Instrument bedienten.

Chris
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 12:28 Uhr  ·  #8
Richtig, die armen Schlagzeuger damals, sollten US-Hits nachspielen.
Das war teils ein Grauen.
Einen deutschen Gitarristen sollte man loben - Lady Geisler.
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 12:46 Uhr  ·  #9
Im Unterschied zu Paule Würges und einigen wenigen anderen
Gitarristen möchte ich es nicht nur an der Gitarre festmachen.
Hören wir uns Wilbert Harrison mit "Kansas City" an, dann die
deutsche Ariola-Fassung. Fürchterlich lieb gemeint und musikalisch
durchaus nicht schlecht, jedoch im Unterschied zum R&B-/Rock´n´Roll-
Rhythmus gerne in einem Eins-Zwo-Drei-Vier,Marsch-Rhythmus
militärisch akkurat dahingespielt. Die "böse Musik" der "musizierenden
Neger" hat es damals durchaus gegeben. Wer das neue ROCK & ROLL
MUSIKMAGAZIN hat: darin habe ich den SPIEGEL zitiert, der Big
Jay McNeely ganz böse abgewatscht hatte. Das war die "Schlüsselloch"-
Meinung und die war peinlich, weil erst ein paar Jahre zuvor der
Jazz durch Frankreich populär gemacht wurde, der vorher als
entartete Musik galt. In den 50er Jahren machte man mit dem
Rock´n´Roll genau das Gleiche. Die jungen Rock´n´Roll-Schlagerstars
mit den üblichen Schlagerorchestern und besserer bzw schlechterer
Stimme konnte man immer noch als alberne Jugendliche abtun
und irgendwann wie Conny (Schauspielerin) als "seriös"
einstufen - oder sie waren weg wie Ted Herold (Bundeswehr; trotz
Comebackversuch Feierabend bis 1978).

Leute mit richtig guten Stimmen (P. Alexander, Freddy, C. Valente) waren eher
Gelegenheits-Interpreten für diese Musik. Ausnahme war Freddy mit
einem der besten deutschen Rock´n´Roll-Versuche, nämlich "So geht
das jede Nacht". Doch sein Pech (oder auch Glück) war, dass er dann schnell
zu bekannt und erfolgreich für weitere Singles mit Rock´n´Roll wurde und der
Seebär ihm als Image besser stand.
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 14:30 Uhr  ·  #10
Zitat geschrieben von Dieter Moll
Fürchterlich lieb gemeint und musikalisch
durchaus nicht schlecht, jedoch im Unterschied zum R&B-/Rock´n´Roll-
Rhythmus gerne in einem Eins-Zwo-Drei-Vier,Marsch-Rhythmus
militärisch akkurat dahingespielt.


Eben das meine ich, da hört man die Routine einer "typisch deutschen" Rhythmusgruppe, die es verinnerlicht hatte, vorwiegend zackig Marsch- und Polka-ähnliches "im strikten Tanzrhythmus" von sich zu geben, und so wurden die neuen flotten RnR-Stücke mit Sicherheit auch von den Musikern verstanden.

Wir sollten uns nur hüten, aus heutiger Sicht allzusehr auf diese Leute herabzuschauen, denn kein Musiker spielt im luftleeren Raum, und die überwiegende Mehrheit der Hörer und Plattenkäufer damals fand das "EINS-zwo-drei-vier" zumindest sicherlich nicht albern, anstößig oder falsch, vielleicht sogar vertrauter und angenehmer als die authentischen "wilden" Rhythmen. In der Rückschau ist es immer leicht, sich lustig zu machen, denn natürlich haben wir ganz andere Hörerfahrungen. Für uns ist vielleicht das größere Kunststück, zu begreifen, was denn so attraktiv am "alten Försterhaus", Wiener Walzern und an den preußischen Märschen war, da diese Musik aus einer Tradition stammt, die uns heute ganz fremd geworden ist. Den heutigen Jugendlichen ist die von Amerika ganz unbeleckte deutsche "Provinzmusik" ja nicht mal mehr als "vom Weghören" geläufig als "das furchtbar verstaubte Zeug, das Eltern und Großeltern gern hören", diese undankbare Rolle haben im Jahre 2013 längst Elvis und die Beatles übernommen. Ob das "besser" oder "richtiger" als unsere Sichtweise, oder als die der alten Leute von 1950 ist, möchte ich nicht entscheiden - über Geschmack läßt sich immer streiten, und die Weiterentwicklung von Musik ist nicht grundsätzlich ein "Fortschritt" auf einen Idealzustand hin.

Chris
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 12.01.2013 - 16:58 Uhr  ·  #11
Wunderbare Beiträge.

Vielleicht passen folgende Auszüge aus meinen Akten zur hier geführten Diskussion:

Das in den USA ausgebrochene, neuartige Rock’n’Roll-Fieber fand 1955 noch nicht in unserem Lande statt und griff erst mit Verspätung auch auf Deutschland über. Es wurde der Beginn der Jugendkultur in Europa. Der Rock’n’Roll veränderte einfach alles, auch die Sitten in und vor den Konzertsälen. Bis sich der neue Rhythmus und der Klang elektrischer Gitarren in deutscher Version durchsetzen konnte, ging allerdings noch einige Zeit ins Land.
Englische und amerikanische Musik interessierte hier zunächst nur eine Minderheit. Allenfalls in deutscher Übersetzung, so glaubte man, ließen sich diese Schlager verkaufen. Die deutschen Musik-Produzenten schauten mit verständlicher Sorge auf die mächtige musikalische Welle, die da über den Großen Teich hineinschwappte. Da relativ schnell entwickelte Gegenmittel hieß: Cover-Versionen. Seit 1956 sah man in den Musikproduktionen die Chance, mit deutsch gesungenem “Rock’n’Roll“ die Jugendlichen für sich zu gewinnen.

Erst 1956 erschienen dann auf dem hiesigen Schallplattenmarkt erste deutschsprachige Cover-Versionen einiger Elvis Presley-Originale:
Paul Kuhn 23./24.07.56 – “Die Blauen Wildlederschuhe (Blue Suede Shoes)“ – Carl Perkins und Elvis Presley
Ralf Bendix – “Hotel Zur Einsamkeit (Heartbreak Hotel)“ – Elvis Presley
Werner Overheidt 12.09.1956 – “Hotel Zur Einsamkeit (Heartbreak Hotel)“ – Elvis Presley
Peter Kraus 02.12.1956 – “Tutti Frutti“ – Elvis Presley

Damit schien die Schallplattenfirma Electrola mit ihrem Interpreten Paul Kuhn am schnellsten begriffen zu haben, wohin sich die Musikwelle entwickeln sollte. Aber er blieb "das Paulchen am Klavier" und Anfang Januar 1957 titelte die Frankfurter Abendpost „Peter Kraus, der deutsche Presley“.

Der ewig jugendliche Peter Kraus ist noch heute als Entertainer und Rock’n’Roll-Interpret/Experte unterwegs. Damals zu Beginn seiner Karriere hatte er von Nichts eine Ahnung! Sein Karriere-Start begann 1956 im Deutschen Museum von München, als er anlässlich eines Talentwettbewerbs, durchgeführt durch die Münchener Abendzeitung, mit seinen Rock’n’Roll-Imitationen/Parodien das Publikum von den Sitzen riss. Die Veranstaltung ging als "Jazz-Konzert" in die Presse ein und der jugendliche Peter Kraus gab gegenüber den Reportern die amerikanischen Jazzsänger wie Pat Boone, Bill Haley und Johnnie Ray als seine Vorbilder an – aberwitzig! Und das Neue Blatt setzte noch einen oben drauf: „Seine Karriere als Jazzsänger ist ohnegleichen“. Nach seinem “Tutti Frutti“-Erfolg wurde Peter Kraus mit seinem "Schluckauf-Stil" durch seinen Produzenten Gerhard Mendelson zunächst auf das Nachsingen amerikanischer Originale festgelegt, mit dem Ergebnis, dass Rock’n’Roll-Titel in deutsche Schlager umgewandelt wurden. Andererseits war es damit Peter Kraus zu verdanken, dass der Rock’n’Roll in deutschen Stuben allmählich geduldet wurde. Auch Peter’s weiblicher Gegenpart Conny Froboess fühlte sich beim Schlager besser aufgehoben. Beide galten zu dieser Zeit als die beiden beliebtesten deutschen Jazzsänger. Soweit es Rock’n’Roll-Sänger im deutschen Schlagergeschäft gegeben haben sollte, seien Ted Herold-1958, Billy Sanders-1958, Tommy Kent-1959, Paul Würges-1960 und eine Menge Interpreten aus der 2. oder 3. Reihe genannt.

Die Plattenfirma Philips mit Sitz in Hamburg war am 21. April 1951 vom holländischen Mutterkonzern gegründet und konnte durch die Partnerschaft mit der amerikanischen Columbia bis 1963 internationale Titel auf den deutschen Markt bringen. Im Katalog zu Weihnachten 1956 hieß es: „Die Rock’n’Roll-Masche schlägt alles, was bisher an heißer Musik bekannt war. Jitterbug und Boogie-Woogie sind harmlose Spaziergänge gegen den Rock’n’Roll, das Zauberwort, das alle Kontinente erobert“. Aber das Label konnte nur Frankie Laine, Guy Mitchell oder Johnny Mathis bieten. Erst als die amerikanischen Label wie Mercury und ABC dazukamen, verbesserte sich die Erfolgsquote und konnte sich dann seit 1963 mit dem Vertrieb der "Star-Club-Musik" enorm steigern.

Im Januar 1957 vermeldete die Musikrevue, dass Polydor-Stars Amerika erobern. Caterina Valente hatte Erfolge in Brasilien zu verzeichnen. Weitere Schlagzeilen waren: „Deutsche Rock’n’Roll-Sensation“, „Rock’n’Roll im alten Försterhaus“ und die Brunswick- und Coral-Anzeigen waren in fetten Lettern mit ROCK’N’ROLL - ROCK’N’ROLL überschrieben. Darunter war das volle Programm von Bill Haley abgedruckt und das Coral-Label wartete mit 45er Scheiben der Modernaires und Alan Freed auf. Hinter der vorgenannten R&R-Sensation wurde Peter Kraus, im Zusammenhang mit seinem bereits oben beschriebenen Auftritt im Deutschen Museum von München, vorgestellt. Seine erste Schallplatte mit “Tutti Frutti“/“Die Straße Der Vergessenen“ tauchte im Polydor-Katalog auf. “Das Alte Försterhaus“ sollte in dem gleichnamigen deutschen Heimat-Film durch "Rock’n’Roll-Klamauk" aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden.
Im März 1957 legte die Musikrevue nach: „R&R – made in Germany: R und R wird durch pseudoromantisches Schlager-Timbre keinesfalls zur Zufriedenheit seiner Jünger bedient. Und das kraftvolle Einsteigen in die messerscharfen Akkorde der Elektro-Gitarre ist bei uns nur wenigen gegeben“. Polydor traute das seinem Jungstar Peter Kraus zu. Aber schon hieß es im Juli 1957: „Freddy bleibt die Nr. 1“.

Anfang 1957 waren zwar die Vertreter des deutschen Schlagers immer noch die selben "Verdächtigen", aber im Musik-Import tat sich einiges: Die Teldec Schallplattengesellschaft m.b.H./Hamburg bot Titel von Joe Turner (“Corrine Corrina“-im swingenden Rhythm’n’Blues-Stil und im schnellen Tempo), Jim Lowe mit den High Fives (“The Green Door“-ein toller Gag, ein toller Schlager!) an. Der Rock’n’Roll wurde 1957 bei deutschen Schallplattenfirmen noch immer nur als ein Tanz-Rhythmus angesehen, eine vorübergehende Mode-Erscheinung von kurzer Dauer.

Unter dem Stichwort "Grünes Licht für den Rock and Roll" veranstalteten 1957 in Bremen Beamte der Abteilung Jugendangelegenheiten bei der Schutzpolizei und der Stadtjugendring einen Rock and Roll-Abend. Die Polizei bemühte sich damit, sich in „die Mentalität der Jugend hineinzuleben“.
Mitte des Jahres 1957 schienen sich die Stars aus Übersee auf dem hiesigen Markt etabliert zu haben, denn „Die Schallplatte“, die Werbepostille der Teldec Schallplattengesellschaft m.b.H./Hamburg, berichtete: „Sie strahlen besonders hell, die Sterne von Übersee! Immer wieder fügen sie den eigenen Reihen neuen Glanz hinzu. In den verschiedensten Farben leuchten sie. Wir freuen uns am deftigen Rock’n’Roll Presleys, Bill Haleys, Tommy Steeles genauso wie an den pikanten Chansons Eartha Kitts; die sympatischen Sonnyboys Perry Como und Eddie Fisher gewinnen genauso viel Freunde wie die raffinierte Vitalität Belafontes. Das virtuose Klavierspiel Winifred Atwells, der rabenschwarze Rhythm and Blues von Fats Domino und Little Richard, der tenorale Glanz Mario Lanzas, die gepflegte Gesangskunst Kay Starrs – sie alle vereinen sich zu einem weitgespannten Sternbild, des Name frohe Laune und gute Unterhaltung ist“.

Was Bill Haley für das Brunswick-Label bedeutete, war seit 1958 in den deutschen Läden Buddy Holly auf Coral Records. Als Mitte der 60er Jahre die US-Decca durch MCA übernommen wurde, verblieb lediglich der Name Brunswick aus alter Tradition bei der DGG, während das Brunswick-Repertoire und das Coral-Label 1965 zu Teldec wechselte.

So wie das Zentralorgan der 50er Jahre-Jugend, die Zeitschrift ‘Bravo‘, seit 1958 erst zögerlich auf den Rock’n’Roll eingegangen war, konnte sie 1959 triumphierend vermelden „Der Slow Rock ist Trumpf!“: „Neue Masche für Schlagerfans: Schlagerfreunde bitte herhören! Das modische Motto für die kommende Schlager-Saison heißt: Man trägt wieder Rock! Aber man singt und spielt nicht mehr so laut und flott wie bisher – der Slow Rock ist da! Und begeistert alle Freunde der heißen Musik … Kurzgesagt: Es wird weiter gerockt – slow, aber mit echter Begeisterung“ oder „Die "Weiche Welle" siegt!“: „Jahrelang saß "König Rock’n’Roll" fest auf seinem Thron. Umjubelt, verehrt von Millionen Schlagerfreunden. In Amerika, in Europa – in aller Welt! Jetzt aber ist sein Thron erschüttert. Die "Weiche Welle" droht ihn hinwegzuspülen: melodiöse Lieder mit gefühlvollem, sentimental-besinnlichem Text“.

Seit Januar 1959 wurde leg auf-Die große deutsche Schallplatten-Illustrierte zum Preis von 30 Pfg. auf den Markt gebracht. Hauptsächlich lagen die Hefte in den Schallplattengeschäften aus. Der Inhalt präsentierte neben Interpreten-Stories und Werbeseiten der Schallplattenfirmen die Schallplattenneuheiten des Monats (auf einen Blick) und das Fernsehprogramm des Monats. Bereits in der ersten Ausgabe wurde die Frage aufgeworfen: „Machtübernahme Der Teenager? Teenager – ein Begriff, der die Produktionschefs ungezählter Industriegruppen elektrisiert. Teenager – ein Wort, das älteren Jahrgängen ebenso Vergnügen wie Verdruß bereitet. Teenager – eine Gruppe Halb- und Viertelwüchsiger, die sich anschickt, den Geschmack ganzer Kulturvölker zu verändern. Das ist wie eine Welle vòn gewaltigem Ausmaß: unendlich sanft und radikal zugleich“. 1959 gab es in Westdeutschland fünf Millionen Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren. Das waren rund 10% der Gesamtbevölkerung. Statistische Prognosen sagten für 1963 den Konjunktur-Höhepunkt der Minderjährigen voraus.
Obwohl auch in dieser Zeitschrift die deutschsprachigen Produktionen mit ihren Schlagerstars im Vordergrund standen, präsentierte leg auf auch die internationalen Produktionen. So konnten auch Coral – und Brunswick Records ihre USA Hit Parade präsentieren. Die Neuerscheinungen der populären Musik wurden in folgende Gruppen unterteilt: a) Tanzmusik und Schlager, b) Volksmusik, volkstümliche Unterhaltung und Blasmusik, c) Musik zum Karneval und d) Jazz. Berücksichtigt waren Schallplatten der Firmen Telefunken, Decca, RCA und London, Electrola, Columbia, Odeon und Capitol, Deutsche Grammophon, Polydor, Heliodor Coral und Brunswick und Philips und Fontana.

Im Februar 1959 stellt Inge Klaus im Test der Schallplatten-Jockeys fest, „daß der Rock and Roll immer noch führt und der Liebling der Teengager ist“. Im folgenden Text wird darüber philosophiert, „wie lange die Masche noch anhält und was an seine Stelle treten kann?“. Wenn also der Rock’n’Roll auch bei uns immer noch dominierend war, drängte sich die Frage auf: „Wer trägt die Schuld (wenn man von einer solchen überhaupt sprechen kann): Die Teenager?, oder am Ende gar die Eltern, die den Jugendlichen das Geld geben?“
Seit April 1959 informierte leg auf seine Leser in einer Schlager Parade über die Hits bei verschiedenen deutschen Radiosendern wie RIAS, WDR, München und SWF und darüber hinaus über die Top 10 der USA, England und Radio Luxemburg. Auch der Automaten-Markt konnte in einer Musikbox seine 10 Hits vorstellen.
Im Juli 1959 wurde in fetten Lettern die Frage aufgeworfen: „Wird der Rock’n’Roll abserviert? Wie eine Seuche hat die modische Ausgelassenheit des Rock’n’Roll seit 1956 Jugendliche der gesamten zivilisierten Welt erfaßt. Heute produzieren über 50 amerikanische Schallplattengesellschaften ausschließlich Rock’n’Roll, über 500 Künstler befassen sich nur mit jenem ausgefallenen Ton-Sport, 80% der rhythmisch interesssierten Jugend sollen sich dem Rock verschrieben haben. Dieser strapaziösen und phonstarken Lawine wird jetzt von vielen Fachleuten ein schnelles Ende vorausgesagt“. Laut Umfrage wurde damals ermittelt: „Nachwuchsstars singen wieder ganz normal“.

Im Januar 1960 stellte sich die Frage: „Was wird 1960?“
Und es begann mit einem Paukenschlag: „Der Bayerische Rundfunk hat sein wöchtliches Teenager-Wunschkonzert überraschend eingestellt. Die Sendeleitung gab zu diesem Entschluß eine bemerkenswerte Begründung: Ein Jahr lang haben wir versucht, die Sendung auf ein höheres Niveau zu bringen. Es ist uns nicht gelungen. Aber wir weigern uns zu glauben, daß Elvis Presley und Peter Kraus, die jedesmal die ersten Plätze im Wunschkonzert einnehmen, auch in Wahrheit die Ideale der jungen Leute sind? Die Jugend will wieder Melodien!“. Welche Frage!!!!????

Das internationale Podium, internationale Fachzeitschrift für Musik, Film, Funk und Fernsehen mit Sitz in Wien meldete sich im Februar 1962 nochmals mit der Schlagzeile Rock’n’Roll-Tanz oder Seuche? zu Wort: 1954 erfasste der neue Rhythmus wie eine Seuche die ganze Welt. Mit keiner Musik und mit keinem Tanz wurde in so kurzer Zeit so viel Geld verdient – und soviel Sachschaden verursacht. Es war der Tanz, der die Menschen und das internationale Musikgeschäft durcheinanderschüttelte. Zwei Sänger haben den neuen Tanz, für den es keine bestimmten Tanzschritte und Regeln gibt, populär gemacht. Einer von ihnen stieg wie eine Rakete auf und verschwand wieder. Der andere kam ebenso aus dem Nichts und wurde der größte Verkaufsmagnet, den die Schallplattenindustrie je besaß: Elvis Presley. Der andere ist übrigens Bill Haley. Und der Schallplatten-Produzent Mitch Miller wurde wie folgt zitiert: „Zum ersten Mal haben sich Schallplatten bezahlt gemacht, die schlecht sind!“
Und zum ersten mal hatten auch Interpreten Erfolg, die garnicht singen konnten, die plärrten, schrien, die mit der Schluckauf-Masche arbeiteten, aber sich gut "verkaufen" konnten. Schon zweimal wurde der Rock’n’Roll totgesagt. Das erste Mal, als Belafonte den Calypso zu uns brachte. Das zweite Mal, als die weiche Welle wieder anschwoll und sogar Rock-Kaiser Presley auf weich umschwenkte. Eine neue Bewegung ist ins Leben gerufen: der Twist. Doch Twist ist im Grunde nichts anderes als Rock.

Die breite Masse der Schlagerkonsumenten, ob Rock’n’Roll oder nun auch Twist, stand zu den deutschsprachigen Produkten, der Rock’n’Roll blieb seiner Klientel vorbehalten. Soweit ist dieser Artikel eine "Untersuchung", wie sich der Rock’n’Roll (mühsam) in unsere Musiklandschaft einschlich.

Ergänzendes:

Dem Musik-Tycoon vom Rhein, dem Produzenten Kurt Feltz, erwuchs durch den Berliner Gerhard "Mosche" Mendelson Konkurrenz aus dem Süden. Sein größter Coup aber war es, mit Peter Kraus einen jugendlichen Schlager-Star in Deutschland aufzubauen, der in der Lage war, auf der Rock‘n’Roll-Welle mitzuschwimmen.

Peter Kraus hatte aber bestimmt nichts dagegen, daß die ‘Frankfurter Abendpost’ ihn den Rock‘n’Roll-Sänger Nr.1" nannte und ihn als "deutschen Presley" auslobte. Der Beginn seiner außergewöhnlichen Schallplatten-Karriere war bezeichnend für Missverständnisse, die lange Zeit die falsche Einordnung von Peter Kraus verursachten. Er war weder Jazz-Sänger noch ein "deutscher Presley". Die gleichaltrigen Kenner des amerikanischen Jazz und Rock‘n’Roll wussten das natürlich ganz genau. Doch dem Wiener Polydor-Produzenten Gerhard Mendelson, der Kraus nach dem Auftritt im Deutschen Museum für sein Label verpflichtet hatte, waren die Peter Kraus angeklebten Etiketten nur recht. Für ihn zählte das Image des Teenagers, der endlich der US-Musik Paroli bieten konnte.

Auch Gerhard Mendelson hatte wirklich Mut, als er im Wiener Austrophon-Studio mit dem Neuling “Tutti Frutti“ aufnahm, das bereits von Elvis Presley und Pat Boone weltweit verbreitet worden war. Daß sein Kalkül trotzdem aufging, hatte zum einen damit zu tun, dass die deutschen "Backfische", die jungen Mädchen, für Peter Kraus schwärmten. Zum anderen hatte sich mittlerweile etwas ergeben, das der Schriftsteller Jean Améry „die vollkommene Amerikanisierung der deutschen Jugend“ nannte. Mendelson setzte mit seiner Neuentdeckung total auf diese veränderte junge Generation. Dabei konnte er all die deutschen Jugendlichen vernachlässigen, die die amerikanischen Originale den Schallplatten von Peter Kraus vorzogen. Kraus selber ordnete seine Produkte im nachhinein so ein: „Eigentlich war das Mädchenmusik mit Rock‘n’Roll-Feeling“.

Mit “Hound Dog“ fegte Elvis Presley 1956 alle Konkurrenten beiseite. Sein Mega-Seller setzte neue Rekorde und ließ auch in Europa die Erkenntnis dämmern, dass der Rock‘n’Roll sich wohl doch durchsetzte. Allerdings zog man hier die Ansicht vor, es handelte sich um eine neue Tanzmode, die man auch zum eigenen Nutzen kopieren konnte. Aus heutiger Sicht wirkt es schon amüsant, dass 1957 ausgerechnet aus dem Wiener Austrophon-Studio eine “Hound Dog“-Version unter dem Titel “Das Ist Rock and Roll“ auf den deutschsprachigen Markt kam.

Das Jahr 1957 gehörte Harry Belafonte. Selten wurde ein Sänger aus den USA so begeistert in der Bundesrepublik aufgenommen wie der schwarze Calypso-Sänger aus New York. Viele sahen in ihm ein Gegengewicht zu dem im hiesigen Bürgertum ungeliebten Elvis Presley. Durch Belafonte konnte man hoffen, dass der Rock’n’ Roll nur eine vorübergehende Tanzmanie sei und schnell vom Calypso abgelöst werden würde.


Allerdings kündigte sich ein gesellschaftlicher Wandel an. Vordenker wurde der Soziologe Helmut Schelsky, der das Aufkommen einer "skeptischen Generation" feststellte. Bisher hatte die Erwachsenenwelt die Meinungshoheit im Lande. Jetzt artikulierte sich die junge Generation, die nicht einfach weiter in den vorgegebenen Bahnen ihrer Eltern denken und handeln wollte. Ihre Ansichten bekamen zum ersten Mal nach dem Krieg eine – wenn auch nicht immer wohlwollende – Öffentlichkeit. Auch ihre Themen rückten zusehends vom Rand in den Mittelpunkt des Interesses. Die Zeitschriften-Serien und -Reportagen über James Dean waren da nur der Anfang gewesen. Elvis Presleys Ankunft in Bremerhaven faszinierte nicht allein ‘Bravo’ und die ‘Star-Revue’. Schon 1956 hatte ‘Der Spiegel’ dem "Rock’n’Roll-Singer" eine Titelgeschichte gewidmet. Die Presse stieg allgemein auf den "Hüftenwackler" und die "Heulboje" ein. Als Meinungskundgebungen muss man schließlich auch die spontanen Zusammenrottungen nach dem Bill-Haley-Film “Außer Rand Und Band“ in den Straßen der Großstädte werten. Und so richtig brach sich das Andersartige der "Teenager" und "Twens" Bahn, als Haley im Oktober durch die Bundesrepublik tourte. Das roch nach Rebellion. Es gab damals zwar keine einheitliche Meinung in der Jugend des Landes, aber sie verschuf sich Gehör. Die späte Nachkriegszeit war auf solche Geschehnisse noch nicht eingestellt. Der Rock’n’Roll war für die Gesellschaft in Deutschland noch fremder als in den USA. ‘Bravo’ berichtete im November 1958: „Rock’n’Roll soll verboten werden!!!“ Heute ist der Rock’n’Roll für die Nichtsammler nur noch eine kleine unbedeutende Zeitepoche.
In der Unterhaltungsbranche hoffte man, der Kelch möge bald vorübergehen. Das Ende der Schellackplatte bedeutete nicht, dass man sich mit dem veralteten Format auch gleichzeitig von alten Klängen verabschiedete.

Das Bild, das die Fans in den 50er Jahren von Ted Herold hatten, war eindeutig: der harte Rocker mit wilder Haartolle in schwarzer Lederjacke, der in der lässigen Haltung dem amerikanischen Rock-Gitarristen Duane Eddy glich. Das wäre schon genug gewesen, um ihn von Peter Kraus zu unterscheiden, aber auch in der Stimme und Intonation waren die beiden weit auseinander. Und dennoch wurde Ende der 50er Jahre ein Riesenstreit inszeniert, wer von beiden denn nun der echte Rock’n’Roller, der "deutsche Elvis", sei. Beide waren bei der Schallplattenfirma Polydor unter Vertrag, und der Image-Streit war den Musikmanagern gar nicht unrecht, da er zur ständigen Diskussion in der Fan-Presse führte. Während die Stars des Sun-Label aus Memphis in den USA gemeinsam auftraten, wurden die Polydor-Protagonisten hier streng voneinander ferngehalten. Der King hatte es Ted Herold besonders angetan: „Ich versuchte, so auszusehen wie er, ahmte seine Bewegungen nach, übte seinen Hüftschwung und sang seine Hits“. 1958 bewarb er sich zu Probeaufnahmen bei der Polydor und geriet zunächst in die Obhut von Multitalent Bert Kaempfert. Das Ergebnis war die Single “Ich Brauch’ Keinen Ring“/“Lover Doll“. “Ich Brauch’ Keinen Ring“ war die Eindeutschung von Elvis Presley’s aktuellem Hit “Wear My Ring Around Your Neck“. Kaempfert übernahm einfach das Arrangement des amerikanischen Vorbildes, der Text allerdings wich davon ab.

Wenn Peter Kraus sich den Ruf eines Rock’n’Roll-Sängers erworben hat, dann geht das besonders auf die Jahre 1957 und 1958 zurück. Als Elvis Presley sich gerade aus dem Showbusiness ausklinkte, um in Deutschland Panzer zu fahren, plünderte Polydor-Produzent Gerhard Mendelson den Presley-Katalog, um seinen Zögling Kraus – und später auch Ted Herold – damit im Schlagermarkt zu etablieren. Musikalisch orientierten sie sich eher an deutschen Country-Imitaten als am Rock. Und Peter Kraus scheiterte kläglich an der englischen Aussprache, wenn er ein Mädchen namens "Tscheen" (Jane) erwähnte oder ähnlich auch beim Liedtitel: “Schucker-Beebi“. Der Name "Schluckauf-Sänger" war wohlverdient, jedoch nicht "Jazz-Sänger" noch "deutscher Elvis".

Gruß
Dietrich
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Re: ELVIS auf deutsch

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Gepostet: 13.01.2013 - 18:00 Uhr  ·  #12
Hallo,

eine sehr gute und interessante Diskussion! Ich denke, einer der wesentlichen Unterschiede zu den USA, aber auch zu Großbritannien und etwas später Frankreich, war, dass die gesamte Ära des klassischen Rock'n'Roll über, also etwa bis 1962/63, die deutsche Plattenindustrie sich nicht traute, ihre Rock'n'Roll-Sänger von jungen Amateurbands begleiten zu lassen, sondern sie stattdessen ihren etablierten Studio-Musikern anvertraute.
Diese waren sicher gute Jazz-und Tanzmusik-Instrumentalisten, standen aber kaum überzeugt hinter dem Rock'n'Roll, das war sicher auch eine Generationsfrage, denn der Rock'n'Roll war die Musik der Dreißiger- und Vierziger-Jahrgänge, die Studio-Routiniers aber meist in den Zwanzigern oder noch früher geboren.
Sicher lernten sie mit der Zeit, den Rock'n'Roll einigermaßen überzeugend zu interpretieren - man vergleiche Paulchen Kuhns unsägliche, "verjatzte" (habe ich absichtlich so geschrieben) Version von "Blue Suede Shoes" mit den ein, zwei Jahre später erschienenen Platten von Billy Sanders, der von Kuhns Band begleitet wurde. Auch etwa Johannes Fehrings Orchester bekam so um 1959 einen ganz guten Rock'n'Roll-Sound hin.
Den besten Rock'n'Roll spielte zu dieser Zeit aber die Band von Paul Würges, die sich eben auch als Rock'n'Roll-Band verstand.

MfG, Volker
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