Hallo Gerd,
ich habe mich auch gewundert. Ergänzend zu Deiner Einführung:
Chuck Willis (Harold "Chuck" Willis) * 31. Januar 1928 in Atlanta/Georgia, + 10. April 1958 in Atlanta/Georgia war ein Songwriter und Sänger aus dem Feld von Rhythm’n’Blues im Übergang zum Rock’n’Roll. Seine 1950er Interpretation des Dance-Songs “The Stroll“ brachte ihm den Titel "The King of the Stroll" ein. Dieser Modetanz, den Lexika folgend mit "Bummel" oder "Spaziergang" übertragen, fand durch Chuck Willis kurzzeitige Popularität. Auch andere Interpreten, allen voran The Diamonds aus Kanada, versuchten sich an der wenig aufregenden und gemächlichen Schrittfolge, aus der sich jedoch eine Tanzmode ableiten ließ.
Willis sang zunächst bei einigen lokalen Bands und versuchte sich bei einem Talentwettbewerb des örtlichen Senders, bevor er 1951-1955 einen Vertrag bei Columbia Records unterschrieb und zunächst für das Sub-Label Okeh recordete. Erste Erfolge in der R&B-Hitparade hatte er mit der Cover-Versionen von Fats Domino’s “Goin' To The River“. In diesen kreativen Jahren, in denen er ca. 20 Singles veröffentlichte, festigte sich sein Ruf im ganzen Land. Seit April 1956 veröffentlichte Willis seine Aufnahmen bei Atlantic Records und erst in dieser Phase, von 1955 bis zu seinem Tod im Jahr 1958, gelang es ihm, neben dem schwarzen Markt auch auf dem Pop-Sektor Fuß zu fassen und die Hitparaden zu erklimmen. Zunächst trug Willis sein Material im Stil eines Blues-Balladeers vor. Gern trug er dabei einen orientalischen Turban und schon hatte er den Namen "The Sheik of the Blues" weg. 1957 erfolgte seine erfolgreichste Aufnahme, ein Cover von Gertrude "Ma" Rainey’s “See See Rider Blues“ aus 1925 (!), das # 1 der R&B - und # 12 der Pop-Charts erreichte. Die Produktion dieses Titels war mit der Unterstützung der Legenden Leadbelly und Big Bill Broonzy und des Tenor-Saxophonisten Gene "Daddy" G. Barge entstanden. Einordnen ließ sich dieser Song niemals, weder in die Rhythm’n’Blues-, die Rock’n’Roll-, noch in die Pop-Schublade.
1952 “My Story“ # 2 Okeh 4-6905
1953 “Goin' To The River“ # 4 Okeh 4-6952
1953 “Don’t Deceive Me“ # 6 Okeh 4-6985
1954 “You’re Still My Baby“ # 4 Okeh 4-7015
1954 “I Feel So Bad“ # 8 Okeh 4-7029
1956 “It’s Too Late“ # 3 and his band Atlantic 1098
1957 “C. C. Rider“ # 1 R&B, # 12 Pop Atlantic 1130
1958 “Betty And Dupree“ # 15 R&B, # 33 Pop Atlantic 1168
1958 “What Am I Living For?“ # 1 R&B, # 9 Pop Atlantic 1179
1958 “Hang Up My Rock & Roll Shoes“ # 9 R&B, # 24 Pop Atlantic 1179
1958 “My Life“ # 12 R&B, # 46 Pop Atlantic 1192
1958 “Keep-A-Driving“ # 19 Atlantic 2005
Später coverten viele Interpreten und Bands seine Songs: “It's Too Late (She's Gone)“ von Otis Redding, Roy Orbison, Buddy Holly and The Crickets, “I Feel So Bad“ und “C. C. Rider“ u.a. durch Elvis Presley und “Oh What A Dream“ durch Ruth Brown und Conway Twitty.
1958 starb er auf dem Höhepunkt seiner Karriere an einer Entzündung des Bauchfells im Alter von 30 Jahren. Gerade hatte er die Super-Hits “What Am I Living For?“/“Hang Up My Rock & Roll Shoes“ veröffentlicht und konnte deren millionenfachen Verkauf nicht mehr auskosten. “What Am I Living For?“ wurde als der R&B-Hit des Jahres 1958 ausgezeichnet. Der Doppelhit zielte direkt in das Herz der aufstrebenden Jugend. Hier zeigt sich sein Stilwechsel seit dem Wechsel zu Atlantic am krassesten. “Hang Up My Rock & Roll Shoes“ ist ein Song über die Nöte der Jugendlichen, denen die Eltern die Begeisterung für ihre Musik vergraulen wollten.
Sicherlich zählte Chuck Willis zu den prägendsten Stilisten des populären Rhythm’n’Blues. Willis und seine Atlantic-Einspielungen versinnbildlichen den Wechsel vom Jump Blues zum Rhythm’n’Blues und Rock’n’Roll bzw. Pop. Bemerkenswert waren dabei auch immer wieder die Produktionstechnik von Jerry Wexler sowie die Arrangements eines Jesse Stone.
Jesse Albert Stone alias Charles E. Calhoun (* 1901, + 1999) gehörte zu den Architekten des frühen Rock’n’Roll. 1947 hatte sich der einstige Jazzband-Leaderaus Kansas als Autor und Arrangeur dem Atlantic-Label in New York angeschlossen. Er komponierte Big Joe Turner’s “Shake, Rattle And Roll“ und schrieb Hits für The Clovers (“Don’t You Know I Love You“), LaVern Baker (“I Can’t Hold Out Any Longer“), Ruth Brown (“As Long As I’m Moving“), The Drifters (“Money Honey“ und “Bip Bam“) und Ray Charles (“It Should Have Been Me“). Als Jesse Stone & His Houserockers oder als Chuck Calhoun & His Atlantic All Stars war er auch zeitweise für die musikalische Begleitung der Gesangsstars verantwortlich. Mit seiner Band veröffentlichte er auch eigene Titel. Als Sänger versuchte er sich mit “Crawfish“ u.a. begleitet von den Saxophonisten Sam "The Man" Taylor und King Curtis, den er in der Folgezeit besonders förderte. “Crawfish“ wurde auch dann von Elvis Presley aufgenommen. Stone wurde 1992 in die Rhythm & Blues Hall of Fame aufgenommen, 2010 in die Rock & Roll Hall of Fame. Bei BMI sind unter dem Pseudonym Charles E. Calhoun 231 Kompositionen urheberrechtlich geschützt, wovon vier einen BMI-Award erhielten.
Deutschsprachige Versionen von Chuck Willis-Titeln:
1957 Gerhard Wendland “Bobby Jenkins Ist In Fahrt (From The Bottom Of My Heart)“ Polydor 23361
1958 Corina Korten “Ich Frag Die Sterne (What Am I Living For?)“ Heliodor 450266
1960 Die Karo-Buben “Träum’ Vom Glück (Close Your Eyes)“ Jupiter J-45 Nr. 108
1961 Harry Glück “Ich Find’ Kein Bett (I Feel So Bad)“ Polydor 24567
1961 Inge Larsen “Ich Hab’ So Angst (I Feel So Bad)“ Ariola 45136
Die Erfolgsstory des Atlantic-Labels hielt weiter an und Anfang 1954 besetzte Atlantic Records 5 der 10 ersten R&B-Charts-Notierungen. Dabei ist Ray Charles, dessen erste Atlantic-Aufnahme im Frühjahr bis auf # 7 kam. Wie ein Schlachtruf für die bald kommenden Zeiten hörte sich der Titel der neusten Single von Big Joe Turner auf Atlantic 1026 “Shake, Rattle And Roll“ an. Doch damit nicht genug: Ahmet Ertegun und Co. gründeten 1954 ein neues Sub-Label names Cat. Von Anfang an dabei sind The Chords, die dann Mitte des Jahres 1954 mit “Sh-Boom“ einen Welt-Hit landeten.
Gruß
Dietrich