Suche nach Teenager Stars

 
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Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 12.05.2010 - 19:59 Uhr  ·  #1
Hallo,
ich habe bisher im Antiquariat folgendes Buch umsonst gesucht:

"Teenager Stars" von Jean Améry

Kann das Forum helfen, evtl. auch leihweise?
Gruß
Dietrich
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nur in der UB Osnabrück

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Gepostet: 12.05.2010 - 20:25 Uhr  ·  #2
Hallo Dietrich,

das Buch ist selten, ich habe lange vergeblich bei Ebay danach gesucht und es dann bei unserer Universitätsbibliothek per Fernleihe ausleihen können.

Es ist offenbar nur in der UB Osnabrück vorhanden. Kann aber durchaus in der einen oder anderen Stadtbibliothek stehen. Die haben wiederum ein autonomes Fernleihsystem...

Das Buch ist von 1960 und eigentlich nur als Zeitgeistdokument erträglich. Amery ist ein Meister der Sprache, er schreibt brilliant, aber ohne wirkliches Verständnis für Jugendkultur und Rock´n´Roll.

Für Sammler enthält das Buch keinerlei Informationen. Amery schreibt auch keine Biografien über die Jugendidole der Endfünfziger sondern eher Essays über die damit verbundenen kulturellen Phänomene.

Ich habe es dennoch nicht ohne Schmunzeln gern gelesen.

Soweit meine rein subjektive Einschätzung. Vielleicht als kleine Hilfe, ob sie die Suche lohnt.

Thorsten
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Wer sucht, der findet

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Gepostet: 13.05.2010 - 02:28 Uhr  ·  #3
Hallo Dietrich,

hier der Umschlag - ebenso gibt es das Kapitel über Heidi Brühl zum Download. Wo? In unserem Forum unter Heidi Brühl - hatte ich vor längerer Zeit ein wenig drüber geschrieben.

Gruß Ralf
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 31.01.2011 - 14:58 Uhr  ·  #4
Améry: "Wir meinen einfach, daß eine Französin französisch, eine Engländerin englisch, eine Deutsche deutsch sein soll, und daß der [...] internationale Film uns im steigenden Maße der nationalen Charaktere seiner Künstler beraubt, was nicht Bereicherung, sondern Verarmung bedeutet."

Hört, hört! Wenn man in Gedanken das Wort "Film" durch "Musikindustrie" ersetzt, paßt das "wie Faust aufs Gretchen" zu meiner davon ganz unabhängig entstandenen Kritik an einer spanischen Diskographie, die sich vorwiegend auf amerikanische und britische Aufnahmen konzentriert. Aber ich bin wahrscheinlich eh der unbelehrbare Exzentriker hier - es ist mir auch noch nie so ganz klar geworden, warum Coverversionen angloamerikanischer Songs irgendwie interessanter oder bedeutsamer sein sollen als originär deutsche/französische/italienische/russische/chinesische/usw. Produktionen (abgesehen vom momentanen Amusement über den "Kulturschock", wenn weiße Jungs aus Mitteleuropa oder gar Asiaten versuchen, den Blues zu singen!)...
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 31.01.2011 - 18:56 Uhr  ·  #5
Hallo,

wenn ich Améry richtig verstehe, sollen wir als Deutsche keinen Rock'n'Roll hören, sondern nur deutsche Schlager und Volksmusik?
Verarmung dadurch, "dass der ... internationale Film uns im steigenden Maße der nationalen Charaktere seiner Künstler beraubt"?
Bei allem Respekt vor Jean Améry - aber das ist (meiner Meinung nach) völliger Blödsinn.

Und chrisz78 - auf spanischen (und französischen) EPs aus den 60ern sind viele gute amerikanische Aufnahmen - etwa von den 13th Floor Elevators oder von We The People - rausgebracht worden, die man im restlichen Europa vergeblich sucht. Diese EPs haben Bildcover, was bei den amerikanischen Original-Singles nicht immer der Fall ist.
Und ich mag auch gern fremdsprachige Aufnahmen z.B. von Beatles -Titeln, habe bereits deutsche, spanische, französische, italienische, tschechische, (brasilianisch-)portugiesische und niederländische und möchte davon keine missen.
Ich mag nun mal Rock'n'Roll lieber als französische Chansons, italienische Oper oder spanischen Flamenco. Daher bevorzuge ich eben die - häufig engagiert gesungenen und gut gespielten - Rockaufnahmen aus ebenjenen (und anderen) Ländern. Die spanische Beat Band Los Brincos spielt sogar eine Art Flamenco-Rock, den ich deswegen so reizvoll finde, weil es Rock ist, aber eben auch eine eigene spanische Note hat.
Sehr ans Herz gewachsen ist mir auch eine EP aus Singapur, auf der eine Sängerin (wohl auf chinesisch) vier amerikanische Traditionals singt - identifiziert habe ich jedenfalls "Oh Susannah", "Dixie" und "Amapola". Einfach faszinierend, wie diese "uramerikanischen" Songs mit dem ostasiatischen Kamm gegen den Strich gebürstet werden. Ähnliches gilt für chinesischen Cha Cha Cha, für eine brasilianische Version von "Riders In The Sky" oder für eine schwedische Version von "Mas Que Nada" etc.

MfG, Volker
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 31.01.2011 - 22:11 Uhr  ·  #6
Zitat geschrieben von Daddy-O
wenn ich Améry richtig verstehe, sollen wir als Deutsche keinen Rock'n'Roll hören, sondern nur deutsche Schlager und Volksmusik?
Verarmung dadurch, "dass der ... internationale Film uns im steigenden Maße der nationalen Charaktere seiner Künstler beraubt"?
Bei allem Respekt vor Jean Améry - aber das ist (meiner Meinung nach) völliger Blödsinn.



Das hat er nun auch mit Sicherheit nicht gemeint. Irgendetwas scheint mir an dem Zitat verrutscht zu sein; so, wie er der Satz da steht, ergibt er keinen Sinn.

Ich *vermute", was er meint, ist dies: Französische, deutsche etc. Schauspieler geben ihre jeweiligen nationalen Identitäten auf, weil sie ihre Spielweise (und die Filme selbst ihre Dramaturgie) zunehmend am Vorbild der US-Filme orientieren. Und das wäre in der Tat ein Verlust.

Dass Deutsche nur deutsche und Franzosen nur französische Musik *hören* sollen, ergibt sich nicht aus dem Zitat, auch nicht sinngemäß. Améry gefällt nur nicht, dass die Deutschen oder Franzosen immer mehr versuchen, US-Schauspieler zu sein. Aber selbstverständlich sollen wir Filme aus dem Ausland sehen und ausländische Musik hören. Wir sollten nur nicht versuchen, sie selbst zu machen.

Das kann ich in gewisser Weise nachvollziehen. Wenn deutsche Schauspieler versuchen, international zu wirken, geht es nämlich so gut wie immer schief. Und so ähnlich ist das eben auch, wenn deutsche Musiker versuchen, Blues aus dem Mississippi-Delta zu spielen oder Hiphop aus Detroit. Da war eine Band wie Kraftwerk viel klüger. Die haben nämlich eine Musikform entwickelt, wie nur Deutsche sie hinkriegen konnten, an der aber Bluesmusiker aus dem Mississippi-Delta scheitern würden.

J.
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 31.01.2011 - 23:32 Uhr  ·  #7
Jan, genauso wollte ich es auch verstanden wissen, und so hat es Améry offenbar auch gemeint, das ist im Zusammenhang seines Heidi-Brühl-Kapitels ganz eindeutig.

Zu den vielen seltsamen "Ecken" meiner Sammlung gehört z.B. auch eine Kollektion asiatischer Beat-"Versuche" aus den 1960er Jahren. Die Beat-Manie brach in Hongkong 1964 nach einem Livekonzert der Beatles in der damaligen englischen Kronkolonie aus, plötzlich wollten die jungen Leute auch "solche Musik machen", wie überall sonst auf der Welt auch. In den ersten Jahren natürlich mit recht bizarren, aber auch sehr charmanten Ergebnissen, denen man das ungewohnte Aufeinandertreffen von britischem Pop und kantonesischer Volksmusik nicht nur in den Cover-Bemühungen, sondern auch in besonders in den eigenen Songs anhört. Aber schon nach ein paar Jahren begann der Umschwung: Nach dem Vorbild der hongkonger Elektro- und Spielzeugindustrie, die mit 1:1 kopierten Massenwaren viel Geld scheffelte, drillten auch die Plattenbosse ganze Scharen von Retorten-Popstars, die im Gegensatz zu ihren schrillen Vorgängern makellose Popmusik der seichtesten und unverbindlichsten Art in Massenproduktion erzeugten, und noch ehe die 70er vorbei waren, war "Hongkong-Pop" oder "Cantopop" zum Synonym für die flachste Fahrstuhlmusik geworden, die man sich denken kann. Gleichzeitig verdrängte diese "Soße" aber nicht nur den frechen Beat der 60er sondern auch die traditionelle chinesische Musik aus Funk und TV, und läßt bis heute auch - wohl wegen der in einheimischer Sprache abgefaßten Texte - den größten internationalen Rock- und Popstars kaum Raum. Ich kenne kein drastischeres Beispiel für die Verflachung eines einheimischen Musikstils durch übermäßig pedantische Imitation eines fremden "Schnittmusters" - in Deutschland oder Frankreich kam es nie so weit, wohl weil es eine viel besser etablierte einheimische "moderne" Musikkultur gab, die sich immer eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt hat.

Chris
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 01.02.2011 - 08:52 Uhr  ·  #8
Moin Chris,

das von die beschriebene Phänomen hat inzwischen unter dem Schlagwort "McDonaldisierung der Kultur" Einzug in die Kulturwissenschaft gefunden und ist wohl einer der bedauernswertesten Aspekte der Globalisierung. Die Klassenkämpfer von einst nannten das schlicht "Kulturimperialismus".
Der Rock´n´Roll war nicht (in den 50ern), aber wurde (im Laufe von etwa 10 Jahren) zur ersten weltweiten Jugendkultur (wenn auch zumeist nur über die Ikone Elvis Presley) und das Phanömen der Beatles hat da nochmal kräftig einen drauf gesetzt...

Thorsten
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 01.02.2011 - 09:50 Uhr  ·  #9
Thorsten,

fern seien mir die roten "Klassenkämpfer" oder gar ihre braunen Zwillingsbrüder, in deren Ecke man ja auch gern gesteckt wird, wenn man es wagt, als Deutscher auch "typisch deutsche" Musik/Literatur/Filme gut zu finden....

Ich habe nichts gegen "McDonald's", weder im Wortsinn als Freßbude noch im übertragenen Sinn, obwohl ich selten davon Gebrauch mache! Überall auf der Welt amerikanische Billigburger bekommen zu können, wenn einem der Sinn danach steht, finde ich genausowenig verwerflich wie die zum Glück ja auch fast überall reichlich vorhandenen italienischen, chinesischen, türkischen oder thailändischen Lokale und Spezialitätenläden - in London, Paris oder Hongkong freut man sich ja andererseits auch, wenn man ein "deutsches" Bierlokal entdeckt und das auch noch bei den Einheimischen beliebt ist.

Nichts ist schlimmer als die Art von Brutal-Patriotismus, die alles "Fremde" verachtet und unterdrückt. Ebenso schade finde ich es aber halt auch, wenn ich mir (dank Internet) z.B. Radiosendungen aus aller Welt ins Haus holen kann und dann feststellen muß, daß die Nachrichten und Stationsansagen manchmal das Einzige sind, woran ich einen "exotischen" Sender erkenne, an Musik läuft aber derselbe Schnee von Britney Spears bis Michael Jackson wie überall sonst. Das ist doch wirklich eine "Verarmung" im von Améry angesprochenen Sinne - nicht weil das Gebotene unbedingt schlecht ist, sondern weil es an Vielfalt mangelt und die "nationale Note" verlorengeht.

Deutscher R'n'R und deutscher Beat werden doch auch an der Stelle erst richtig spannend, wo nicht nur internationale Bands und Titel mehr oder weniger gut "geklont" werden, sondern ein ganz eigener Stil mit kreativen Ideen dabei herumkommt, und die "typisch deutsche" Art Musik zu machen nicht mehr ein Mangel, sondern Teil eines neuen Stils wird.

Und auch der oft gescholtene Schlager, so wie er bis in die 70er Jahre betrieben wurde (bevor er zu international kompatibler Billig-Disco-Musik mit deutschen Texten verkam), gehört ebenso untrennbar und "typisch" zu Deutschland, wie die Chansons einer Francoise Hardy oder eines Aznavour zu Frankreich, Hans Moser zu Österreich, oder die Dubliners zu Irland - diese "lokale" Farbe (analog zu "Zeitgeist" müßte man vielleicht "Ortsgeist" sagen) macht diese und vergleichbare Musikrichtungen (für mich zumindest) interessant, ganz unabhängig vom Genußwert einzelner Titel und Sänger.

Alle Klarheiten beseitigt? 😉

Chris
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 01.02.2011 - 21:24 Uhr  ·  #10
Hallo,

vielleicht habe ich Améry etwas Unrecht getan, aber Aussagen, "dass eine Französin französisch, eine Engländerin englisch und eine Deutsche deutsch sein soll" regen mich einfach auf! Was ist denn das: französisch, englisch, deutsch? Die - wie ich finde - größte deutsche Filmschauspielerin Marlene Dietrich hat in ihrer Heimat außer dem "Blauen Engel" nichts Nennenswertes gedreht, alles andere ist Hollywood - hat sie dadurch aufgehört, eine Deutsche zu sein? Ist die deutlich durch den amerikanischen Film beeinflusste "Nouvelle Vague" heute nicht der Inbegriff des französischen Films? Beruht nicht "Ossesione", der den italienischen Neorealismus begründete, auf einem amerikanischen Roman (James Cains "The Postman Always Rings Twice")? Haben in den 60ern nicht die Italiener Leone und Corbucci DAS amerikanische Genre, den Western neu erfunden? Ist nicht umgekehrt der amerikanische "Film Noir" vom französischen "Poetischen Realismus" und vom deutschen Expressionismus beeinflusst worden?
Ich habe, was Musik angeht, 1985 in Peru mitbekommen, wie die dortige Jugend die Tradition der Andenfolklore pflegte und gleichzeitig lateinamerikanische (Salsa) und anglo-amerikanische Popmusik (Rock) goutierte. Natürlich weiß ich, dass viele Radioprogramme per Quotendruck gleichgeschaltet sind und immer den selben massentauglichen Kram abnudeln. Das bleibt einem dann nur die Suche nach ein paar "freien Sendern" mit Nischenprogrammen.
Natürlich finde ich auch, dass Kraftwerk eher eine "originär deutsche" Musik machen, als etwa die Rattles. Trotzdem machen mir deren Chaos-Versionen von "Mashed Potatoes" oder "Bye Bye Johnny" (als "Johnny Be Good" in Phantasie-Englisch gesungen) dann doch mehr Spaß.
Neue Deutsche Welle (allerdings nicht Hubert Kah oder UKW, sondern Abwärts, Fehlfarben, DAF oder Der Plan) und Hamburger Schule (wenn sie textlich nicht zu sehr ins gymnasiastenhaft-politradikale abdriftet) mag ich auch sehr gern. Das ist dann auch wieder Urdeutsches mit internationalem (anglo-amerikanischem) Einfluss. Von dem brutalen Teutonen-Schwulst a la Rrrrammstein schweige ich lieber. Aber letzlich ist auch das Geschmackssache.
Und um auf Rock'n'Roll-Forum-Kompatibles zurückzukommen - sind nicht Conny und Peter in ihrer Übersetzung amerikanischer Musik für die hiesige Wirtschaftswunder-Jugend geradezu rührend deutsch? All das Wilde und Gefährliche des Rock'n'Roll gerät bei ihnen zur kecken, aber nicht im Geringsten aufsässigen gepflegten Unterhaltung für brave deutsche Teenager. Und da bin ich mir, glaube ich, wieder einig mit Jean Amery, der treffend vom "Conny-Formismus" gesprochen hat. Auch wenn ich mir ihre Platten hin und wieder gern anhöre.

MfG, Volker
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Re: Suche nach Teenager Stars

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Gepostet: 01.02.2011 - 22:18 Uhr  ·  #11
Hallo Chris, hallo Volker,

ich gleube wir stimmen weitestgehenst überein. Das ist ein sehr komplexes Thema. Umso dankbarer bin ich, dass auch so etwas mal in diesem Forum erörtert wird. Weil m.E. ein Reflektieren, dessen, womit wir uns so beschäftigen, auch dazu gehört. Mag sein, dass da bei mir der studierte Kulturwisenschaftler durchscheint. Das nehm ich in Kauf...

Es gibt ja verschiedene Perspektiven auf das Thema, das wir hier erörtern. Man kann es vom Hörer aus betrachten und sagen: Jede Kultur sucht sich seine Traditionen, seine Foren, sein Interpreten. Das kann gleichzeitig und parallel verschiedene Musik sein, das kann auch zu neuem verschmelzen, wie auch Rock´n´Roll auch nicht mehr als ein Eintopf unterschiedlicher musikalischer Einflüsse war. Der Rest ist Geschmackssache. Manch einer hält nur den historischen Rockabilly, der in den Fünfzigern in den Sun Studios von Memphis aufgenommen wurde, für den einzigen wahren authentischen Rockabilly. Andere finden vielleicht eine Indiotruppe in den Straßen von Lima, die Rock around the clock in ihrer Tradition auf der Panflöte interpretiert für viel authentischer, als wenn sie sich bemühen würde, den selben Song dem Touristengeschmack entsprechend mit Gitarre und Stehbass zu intonieren. Und andere hören lieber Peter Kraus, weil der wenigstens in unserer deutschen Sprache singt. Jeder Standpunkt hat gute Argumente für sich.

Doch aus anderer Perspektive sieht es anders aus. Die McDonaldisierung geht vom Markt aus. Es sind eben nicht alle kulturellen Erzeugnisse gleichermaßen verfügbar. Viele Vinyl-Aufnahmen gibt es nicht auf CD, die meiste Musik wird gar nicht im Radio gespielt. Traditionen und ebenso die individuelle Entscheidungsvielfalt werden durch unterschiedliche Verfügbarkeit beschnitten. Das ist Fakt und der wird nicht besser oder schlechter dadurch, ob man ihn im linken Klassenkämpferjargon oder in dumpfer Deutschtümelei beschreibt.

Ich bin gegen jeden Dogmatismus. Warum soll ein weisser blonder Norddeutscher nicht schwarzen amerikanischen Blues singen dürfen? Er wird sein Publikum finden. Warum soll ein deutscher Filmemacher nicht einen "amerikanischen" Film in perfekter Hollywood-Ästhetik machen dürfen? Wenn er das gut kann, wird er vielleicht sogar einen Oscar damit gewinnen - den für den besten ausländischen Film. In den Hauptkategorien wird er nie gewinnen können. Ein deutscher Schauspieler gewinnt nur einen Oskar, wenn er seine Leistung in einem amerikanischen Film abliefert. Wie doof ist das denn?

Die Quotendebatte zum Schutz der deutschen Musikschaffenden, vor ein paar Jahren angestossen durch Maffay, Kunze, Grönemeyer... fand ich deshalb auch äußerst unglücklich, wennauch in ihrem Kern nachvollziehbar. Die Radioleute, mit denen ich diskutiere, warum so wenig deutsch gesungenes über den Äther geht, behaupten, die Mehrheit der Hörer will das nicht. Mag sein. Ich hab nicht nachgezählt. Aber warum dudelt ständig Let your love flow von den Bellamy Brothers im Radio? Wo wir alle den Song doch als Bett im Kornfeld von Jürgen Drews kennengelernt haben!

Das Problem ist das Monopol. Von Plattenfirmen und von Radiosendern und von Fernsehanstalten. Sie bestimmen, was wir hören wollen... Aus dem Formatradio ist ja nicht allein der deutsche Schlager ausgesperrt worden. Auch Jimi Hendrix, Rory Gallagher oder Deep Purple finden im Formatradio nicht mehr statt. Ich werde ab und zu in Radiosendungen eingeladen und wenn höflichweise nach einem Musikwunsch gefragt wird und ich dann sage, ich habe gerade ein Buch über Jimi Hendrix herausgebracht und würde gerne Purple Haze hören, dann geht das bei einem öffentlich-rechtlichen Oldiesender schon gar nicht. Rolling Stones ja, aber The Who? Bitte nicht.

Die Hörer wollen das nicht.

Natürlich kann ich Internet-Radio hören, und ich gehöre zu denen vielen, die den Marktanteil der Internet-Radios in die Höhe treiben. Aber das ist keine Alternative auf Augenhöhe. Das ist Nische. Genauso wie Bear Family im Vergleich zu den Majors immer Nische bleiben wird. Glücklich seien die Eingeweihten. Die Masse hat keine Chance, diese Musik für sich zu entdecken.

Und um den Bogen zu spannen... Mich haben die Thesen von Amery auch irritiert. Ein deutscher Schauspieler soll keine deutschen Filme machen müssen. Aber es muss deutsche Filme geben können. Conny war eine Mode-Ikone. Nena war auch eine. Was modern ist, darauf stürzt sich der Markt. Die Alternativen werden ignoriert.
Um diesen Markt zu regulieren und Vielfalt und Tradition zu unterstützen, gibt es regionale Filmförderungen. Es gibt aber keine regionale Musikförderung. Es gibt kaum noch öffentlich-rechtliche Nischenprogramme in Radio und TV.

Wir müssen für unsere Vielfalt und unsere Tradition selber sorgen. Das Internet ist meine Hoffnung. Es ermöglicht Foren wie dieses oder Internet-Radio oder ähnliches.

Aber eben nur für Minderheiten. Den Mainstream wird es nie erreichen können. Und ich bin nicht so zynisch, zu sagen, dann hat das der Mainstream auch nicht besser verdient. Und würde in diesem einen Punkt Amery zustimmen wollen, dass es unsere (mitteleuropäische/deutsche/friesische) Kultur wert ist, dass wir pfleglicher damit umgehen.

Nur in der Vielfalt der Möglichkeiten kann jeder seine persönliche Wahl treffen.

McDonaldisierung der Kultur ist das Gegenteil von Demokratisierung der Kultur.

Thorsten
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