Farbiges Vinyl

 
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Farbiges Vinyl

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Gepostet: 10.10.2009 - 18:28 Uhr  ·  #1
Wie die Vinyl-Schallplatten zu uns kamen waren sie bereits schwarz. Daher waren wir ganz "happy" als wir aus Skandinavien plötzlich färbige Platten erhielten, das war nämlich für uns was ganz Besonderes. Für die, die es noch nicht wissen: die ersten Platten waren nicht schwarz sondern farbig und das hatte folgenden Grund. Die Grundfarbe des Vinyls ist so fürchterlich grauslich dass man befürchtete, solche Platten schwer verkaufen zu können. Man gab einen Farbstoff dazu und schon war das Verkaufsprodukt gefällig. Die Firmen nützten das dann auch dazu die verschiedenen Musikrichtungen zu trennen. So verwendete beispielsweise RCA Victor grün für ihr C&W-Program, hellrot für R&B u.s.w.
Relativ bald, es dürfte so Ende 1949 Anfang 1950 gewesen sein, kam ein Techniker darauf, dass der Zusatz von Graphit einen brillianteren Klang ergab. Und so wurden unsere Singles schwarz. Ab diesem Zeitpunkt verwendete man die Farben meist nurmehr für Disc-Jocke-Kopien, als speziellen Verkaufs-Gag etc. Ende der Fünfziger-Jahre kamen zuerst die Slandinavier wieder auf den Geschmack, weil das Färbige doch sehr gefällig aussah und die Klangtechnik hat ja auch Fortschritte gemacht. In den Sechzigern und Siebzigern und darüber hinaus wissen wir ja, dass die Schallplatten immer bunter wurden.
Gerade drei Beispiele der Ur-Vinyls habe ich in meiner Sammlung gefunden. Musikalisch bin ich zwar kein Fan der Vierziger- und frühen Fünfzigerjahre aber das Alter der Platten hat mich fasziniert
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Gerd
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 07.02.2013 - 14:42 Uhr  ·  #2
Hallo Gerd,

ein hochinteressanter Beitrag, doch ich Meckerfritze muß mal wieder widersprechen... :roll:

Also, in meiner Lehrzeit bei DGG hat man uns das mit den schwarzen Platten etwas anders beigebracht, und zwar folgendermaßen:

Das Graphit soll wohl eigentlich zu grob bzw. rauh sein, um die für einen guten Klang erforderliche glatte Plattenoberfläche zu erreichen, es mußte daher ein hoher (und teurer) technischer Aufwand getrieben werden, um das Ziel "schwarze Vinyl-Platten mit gutem Klang" wenigstens einigermaßen zu erreichen.

Aber das Publikum kannte Schallplatten nunmal als schwarze Scheiben, und deshalb befürchteten die Firmen eine mangelnde Akzeptanz der damals neuen 45er, wenn diese nicht auch schwarz sind... man nahm den höheren Aufwand also in Kauf und produzierte, nach anfänglichen Versuchen mit diversen Farben, notgedrungen schwarze Singles, und so ist es dann eben geblieben, bis auf die bekannten Ausnahmen.

Gruß, Wolfgang :D
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 07.02.2013 - 15:12 Uhr  ·  #3
Ich muß da Wolfgang recht geben - Graphit als Gleitmittel war sinnvoll beim spröde-staubtrockenen Schellack-Schiefer-Mix, der dann auch noch mit viertelpfundschweren Schalldosen und Stahlnadeln traktiert wurde und obendrein als Naturfarbe ein eher häßliches stumpfes Graubraun hat. Für elastisches, von Natur aus spiegelglattes Vinyl mit einem leichten saphir- oder diamantbestückten Tonabnehmer dürfte es wenig zusätzlichen Nutzen bringen (dafür aber die Gefahr eingebackener Körnchen und entsprechender Knackser, falls der Graphit-Beischlag nicht perfekt zerrieben ist).

Die schwarze Farbe hat aber nicht nur Traditionsgründe - jeder der mal versucht hat, auf einer hellfarbigen, womöglich halbtransparenten LP etwa den 3. Track auf Seite 1 ohne Fehlstart aufzusetzen, oder eine solche Platte als "optisch mint" erworben hat und daheim entsetzt von diversen Hängern und zerrenden Stellen war, weiß wovon ich rede. Die schwarz-blanke Platte dagegen zeigt sowohl das Rillenbild mit den Kennrillen als auch jegliche Verschmutzung, Kratzer und Abnutzungsspuren deutlicher als irgendeine andere Farbe, bietet also nichts als Vorteile sowohl bei der Qualitätskontrolle in der Fabrik als auch nachher beim Benutzer (vom zugegeben hübschen Anblick der bunten Platten mal abgesehen!).

Chris
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 08.02.2013 - 12:26 Uhr  ·  #4
Hallo Chris,

den in Deinem zweiten Absatz genannten Aspekt hatte ich nicht bedacht, und vermutlich war es um 1949/50 herum auch kein entscheidendes Kriterium... aber Du hast natürlich Recht, bei farbigen Pressungen ist die optische Beurteilung des Erhaltungszustands deutlich schwieriger als bei schwarzen Platten. Das zielgenaue Starten bei einem bestimmten Track macht übrigens besonders viel Spaß, wenn es sich um "clear vinyl" einer möglichst hellen Färbung handelt, schon das Zählen der Stücke wird da schwierig. :lol:

Die Vinyl-Single hatte damals klanglich keine Verbesserungen gegenüber der Schellackplatte gebracht, zumindest bei den Schellacks der letzten Produktionsjahre. Ich hatte mal die Gelegenheit, Mint-Exemplare von Freddys "Heimweh" auf einer Highend-Anlage zu vergleichen... die 78er klang unglaublich toll, da kam die Single nicht mit. Ob eine farbige Single besser geklungen hätte? Vermutlich schon, die Vorteile der hohen Geschwindigkeit hätte das aber wohl auch nicht aufgewogen...

Gruß, Wolfgang
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 08.02.2013 - 15:33 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von Wolfgang

Die Vinyl-Single hatte damals klanglich keine Verbesserungen gegenüber der Schellackplatte gebracht, zumindest bei den Schellacks der letzten Produktionsjahre. Ich hatte mal die Gelegenheit, Mint-Exemplare von Freddys "Heimweh" auf einer Highend-Anlage zu vergleichen... die 78er klang unglaublich toll, da kam die Single nicht mit.


Du hast recht, "kurz vor Ladenschluß" hat die 78er noch einen gewaltigen Sprung nach vorn in der Tonqualität gemacht, Schellacks der großen (deutschen) Marken von 1955-1956 klingen regelmäßig druckvoller und klarer als die parallel erschienenen Singles, wogegen fünf Jahre früher quasi noch der relativ leise und dumpfe "Vorkriegssound" bei den 78ern vorherrschte. Offenbar nahm man in den frühen 50ern noch Rücksicht auf mechanische Grammophone und Stahlnadel-Magnet-Pickups, die allzu kraftvolle Pegel und ungedämpfte Höhen in sehr unangenehmes Kreischen umsetzen, denn vorhandene Polydor- und Lindström-Masterbänder aus dieser Zeit sind i.d.R. sehr nah an Hi-Fi-Qualität, erst beim Mastern der 78er-Platte wurden die Höhen und Tiefbässe weggedreht und die Dynamik komprimiert.

Irgendwann hat man mit dem Unfug aufgehört und auch den 78er-Mastern den vollen Frequenz- und Pegelumfang gegönnt, aber da war es zu spät um die Plattenkunden noch mit dem Qualitätsargument bei der Stange zu halten. Im Grunde haben diese späten 78er den gleichen Qualitätsvorsprung wie dreißig Jahre später die 45rpm/30cm Maxi-Singles - in rauscharmem Vinyl gepreßt wäre mit 78rpm ein wahres High-End-Produkt möglich gewesen (wie gelegentlich später aus alten Matrizen angefertigte Vinyl-78er eindrucksvoll beweisen, regelmäßig mit mehr Dynamik und weniger Klirren als die Mikrorillenplatten derselben Ära).
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 09.02.2013 - 16:34 Uhr  ·  #6
Ich wollte mich eigentlich schon viel früher melden fand aber nicht gleich die richtigen Worte, was meinen Bericht zwangsläufig verzögerte.
Nach Wolfgang's Bericht wollte ich darauf hinweisen, dass ich mich bei meinem Bericht ausschließlich auf die USA bezog. Als etwa 1953, also schwache drei Jahre später, auch bei uns das 45er-Zeitalter begann, waren die Probleme vermutlich bereits völlig anders gelagert als 1949 in den USA. Mich hat ganz einfach interessiert, warum in den USA das färbige Vinyl so schnell wieder vom Plattenmarkt - ausgenommen die bekannten Ausnahmen DJ, Reklame etc. - verschwand und da hat mir ein Hinweis über eine angeblich bessere Klangqualität durch Zusatz von Graphit aus dem Internet gerade hervorragend gepasst, um die Kurzlebigkeit der färbigen Singles etwas plausibel machen zu können. Die Überprüfung dieses Hinweises habe ich zu diesem Zeitpunkt als nicht nötig erachtet.

Durch die wunderbaren Berichte von Wolfgang und Chris kamen zumindest für mich völlig neue Aspekte ins Spiel, was auch meine Sicht der Dinge doch sehr verändert hat. Selbst wenn an der These mit der besseren Klangqualität durch Graphit etwas dran sein sollte bin ich jetzt der Überzeugung, dass die Gründe die sich überwiegend auf das Käuferpublikum bezogen - gewohnte schwarze Scheibe, Unsicherheit beim Platten auflegen etc. (siehe obige Berichte) - weit mehr ins Gewicht fallen dürften.
Jedenfalls herzlichen Dank an Wolfgang und Chris für die sehr kompetenten und äußerst informativen Berichte
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Gerd
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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 17.08.2013 - 12:08 Uhr  ·  #7
Ende der Fünfziger-Jahre kamen zuerst die Slandinavier wieder auf den Geschmack, weil das Färbige doch sehr gefällig aussah...

sehr interessant, die bisherigen ausführungen!
mir war bereits aufgefallen, dass storyville oder metronome anfang 60er gerne mal singles mit farbigen vinyl herausbrachten. das passt zu gerds beitrag. aber: warum die skandinavier???
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78er Platten auf die High-End Anlage

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Gepostet: 17.08.2013 - 15:02 Uhr  ·  #8
Hi Wolfgang, kann ich nur bestätigen. Das Abspielen einer, gut erhaltenen 78er Platte, auf einer modernen High-End-Anlage ist schon ein cooles Klangergebnis. Die 78er Scheiben sind halt druckvoller, die Obertöne kommen schon gutakzentuiert raus. Ich habe letztens mal ein paar Stan Kenton Orchestra-Platten auf meiner Thorens-Maschine mit Ortofon-78er-System gehört. Kein Vergleich, wenn man die gleiche Platte auf der Philips-Hutschachtel-Knödelkiste abspielt. Obwohl das Philips-Teil auch ein dekoratives Schätzchen darstellt. Die 45er Versionen sind einfach etwas flacher in ihrer Dynamik. Besonders gut klingend finde ich die Philips-Amerika-Series (die Schwarz-Label-Philips 78er und die deutschen RCA-Elvisse).

Zitat geschrieben von Wolfgang
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Die Vinyl-Single hatte damals klanglich keine Verbesserungen gegenüber der Schellackplatte gebracht, zumindest bei den Schellacks der letzten Produktionsjahre. Ich hatte mal die Gelegenheit, Mint-Exemplare von Freddys "Heimweh" auf einer Highend-Anlage zu vergleichen... die 78er klang unglaublich toll, da kam die Single nicht mit. Ob eine farbige Single besser geklungen hätte? Vermutlich schon, die Vorteile der hohen Geschwindigkeit hätte das aber wohl auch nicht aufgewogen...

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Re: Farbiges Vinyl

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Gepostet: 09.04.2014 - 14:28 Uhr  ·  #9
Die sehen echt klasse aus! Diese farbigen Modelle kann man sich auch
in ein Rahmen setzen, falls der ein oder andere so etwas noch Zuhause hat, und aufhängen.
Habt ihr noch solche Schallplatten bei euch?
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