Hallo,
über Joan Baez ist aktuell eine Dokumentation erschienen: Der Porträtfilm “Joan Baez: I Am A Noise“ - 2023
Ein Blick in die örtliche Presse (HAZ):
Die Regisseurinnen Miri Navasky, Karen O'Connor und Maeve O'Boyle entwerfen keine Hommage an die wichtigste amerikanische Folksängerin des 20. Jahrhunderts, sondern zeichnen ein intimes Porträt, in dem Baez auf das eigene Leben zurückblickt.
Einen ,,atemberaubenden Sopran“ - so nannte Bob Dylan ihre Stimme, die zur Stimme einer Generation, der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und der Proteste gegen den Vietnamkrieg wurde. Joan Baez war der Superstar der Flower-Power-Ära. Ihr engelsklarer Gesang erklang weit über den subkulturellen Kontext hinaus.
Als sie 2019 im Alter von 79 Jahren zu ihrer letzten Tournee aufbricht, hat sich ihr signifikanter Sopran in eine tiefere, rauere Stimme verwandelt. Sechs Jahrzehnte Lebenserfahrungen haben sich hörbar darin eingearbeitet. ,,Ehrlicher“ klinge ihre Stimme, sagt Baez, und von dieser Ehrlichkeit ist auch die Dokumentation “Joan Baez: I Am A Noise“ geprägt.
Die Eltern waren Quäker und erzogen die drei Töchter mit sozialem Bewusstsein für die Unterschiede zwischen Arm und Reich. Schwarz-Weiß-Fotos zeugen von einer scheinbar glücklichen Kindheit, auf die Baez allerdings mit widersprüchlichen Gefühlen zurückblickt. Schon im Jugendalter wird sie von Depressionen und Panikattacken heimgesucht. Vom 16. Lebensjahr an ist sie fast immer in therapeutischer Behandlung.
Ihr musikalischer Erfolg bleibt davon unbenommen: Bereits 1959 feiert sie beim “Newport Folk Festival“ ihren Durchbruch. Da ist sie gerade 18. Auf die Hochgefühle folgen immer wieder tiefe Abstürze. Auf der Bühne macht die junge Joan Baez einen selbstbewussten Eindruck, aber zwischen der öffentlichen und der privaten Person besteht über Jahrzehnte eine enorme Fallhöhe. Sie habe kein Händchen für 1:1-Beziehungen, sagt Baez, die 1:2000-Beziehungen im Konzertsaal lägen ihr mehr. Die Liebe zu einer jungen Frau im Alter von 19 Jahren, die Beziehung zum blutjungen Bob Dylan und die Ehe mit dem politischen Aktivisten David Harris halten nur Jahre. ,,Er hat mir mein Herz gebrochen“ sagt sie über Dylan, der sich mit zunehmendem Ruhm von ihr distanzierte.
Es sind weniger die Liebes- als die Familienbeziehungen, auf welche die Musikerin immer wieder zurückkommt. Erst spät stößt sie in einer Hypnosetherapie auf dunkle Erinnerungen, die auf einen sexuellen Missbrauch durch den Vater hindeuten, was dieser bis zu seinem Tod von sich weist.
Beeindruckend ist nicht nur die Aufrichtigkeit dieser Doku, sondern auch die Quellenlage. Seit ihrem 13. Lebensjahr hat sich Joan Baez zur Chronistin ihres eigenen Lebens gemacht: Tagebücher, Briefe, Fotos, Zeichnungen und kistenweise Audiokassetten, auf denen Erinnerungen und zahllose Therapiesitzungen aufgezeichnet sind, lagern im Keller des Anwesens in Kalifornien. Die Dokumente einer lebenslangen Selbstreflexion, Baez hat sich ihren Seelenfrieden hart erarbeitet.
Gruß
Heino